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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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Carmen und Alma und dem Rest ihrer Familie. Heute jedoch blieben die Vögel stumm, als ob der ferne Donner, der seit einer guten halben Stunde durch die Luft dröhnte, sie verschreckt hätte.
    »Was, schon wieder ein Gewitter?« Carmen blickte von dem Laptop auf, den sie sich mit ihren Geschwistern teilen |238| musste, Gegenstand zahlreicher Machtkämpfe zwischen den drei Carrillo-Kindern. »Das ist bestimmt der nasseste Sommer aller Zeiten.«
    »Es regnet nie sehr doll«, sagte Alma. Carmens kleine Schwester lag ausgestreckt auf dem Boden und malte mit Pastellstiften. »Und es riecht hinterher immer so gut. Man riecht es wachsen.«
    »Solange ich nicht im Regen raus muss.« Carmen hob den Kopf. »Apropos unangenehm, wo sind eigentlich Steve und dein Bruder hin, Lucinda? Sie sind gleich nach dem Essen abgesaust.«
    Lucinda verzog das Gesicht. »Ich glaube, sie machen irgendwas in der Garage. Als ich vorhin da vorbei bin, habe ich es hämmern und scheppern gehört.«
    »Wahrscheinlich bauen sie ein Raumschiff aus alten Dosen«, meinte Carmen.
    »Nein«, widersprach Alma, »Steve hat, glaube ich, was davon gesagt, sie wollten Sachen zusammensuchen, um …« Sie unterbrach sich und sah sich um, denn die Tür ging auf.
    Silvia Carrillo beugte sich herein.
    »Carmen, m’hija, dein Vater und ich haben den Sotos versprochen, dass wir zum Nachtisch bei ihnen vorbeischauen. Gegen halb zehn sind wir wieder da, aber wenn nicht, möchte ich, dass ihr euch bettfertig macht und dann von mir aus noch lest, bis wir zurückkommen, okay? Oma ist in ihrem Zimmer und sieht fern, falls ihr sie braucht.« Sie schloss die Zimmertür, und kurz darauf hörten sie sie zur Haustür hinausgehen.
    Lucinda hatte versucht zu lesen, aber sie konnte sich nicht konzentrieren. Vielleicht lag es an der Atmosphäre des heraufziehenden Gewitters, aber weit war sie im
König von Narnia
ohnehin noch nicht gekommen. Auch die Kinder dort waren |239| in einer magischen Welt, aber bei ihnen schien sich alles von selbst zu ergeben, und wenn es richtig schlimm kam, erschien immer der wunderbare »Jesuslöwe« (wie Carmen ihn nannte) und brachte alles wieder in Ordnung.
    Ich wünschte, wir hätten auch einen magischen Jesuslöwen,
dachte sie.
Ich habe es satt, immer alles alleine rausfinden zu müssen.

    Simos Walkwell war natürlich nicht Aslan, aber sehr weit weg davon war er auch nicht: Er war immerhin praktisch ein griechischer Gott! Jedenfalls war Lucinda davon überzeugt. Nach ihren Recherchen im Internet und in Büchern war er ein Faun, so etwas wie ein antiker Waldgeist, aber immer wenn sie sich endlich dazu durchgerungen hatte, ihn nach seiner Herkunft zu befragen, genügte ein Blick auf sein wettergegerbtes Gesicht und seine wachsamen dunklen Augen, und die Worte blieben ihr im Hals stecken wie pappiger Haferbrei. Es gab so vieles, was sie ihn gern gefragt hätte: Waren die Götter Wirklichkeit? Hatte es wirklich einen Herkules gegeben? Und Jason und die Argonauten, wie in diesem putzigen alten Film, den Tyler so gern mochte? Doch als sie an diesem Nachmittag mit Ragnar am Zaun zwischen Cresta Sol und der Tinkerfarm gestanden hatte, war ihr nicht einmal der Gedanke gekommen, ihn zu fragen. Es gab viel zu viele andere Dinge, die zu bedenken waren. Ernste Dinge. Dinge, bei denen es um Leben und Tod ging.
    »Es ist zu riskant für dich, herzukommen, Ragnar«, hatte Walkwell gesagt. Hier am Rand des Anwesens und am helllichten Tag trug er Stiefel, die seine Hufe versteckten, und sie waren ihm sichtlich unbequem. Er trat während der Unterhaltung von einem Fuß auf den anderen, so dass das Papier, mit dem er seine Schuhe ausstopfte, knisterte. »Im Augenblick |240| machen uns weder Gideon noch die Hexe Ärger. Wir sollten zusehen, dass es so bleibt.«
    Ragnar schüttelte den Kopf. »Nein, Simos, sieh dich doch mal an. Du bist völlig erschöpft. Du hast schon für zehn gearbeitet, als ich noch da war …«
    Walkwell unterbrach ihn schnaubend: »Und jetzt arbeite ich für zehneinhalb. Das schaffe ich schon.«
    Ragnar grinste über den Witz, aber Lucinda wusste, dass Walkwells Art, sich so viel aufzuladen, ihm nicht recht war. »So habe ich ihn noch nie erlebt«, hatte der Nordmann am Morgen zu ihr gesagt. »Er sieht beinahe alt aus.« Was eine merkwürdige Aussage war, wenn man bedachte, dass Simos Walkwell schon mindestens einige tausend Jahre auf dem Buckel hatte, doch ein Blick auf das hagere Gesicht und die dunklen Augenringe des alten Griechen, und sie

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