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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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marschierten tausend Soldaten auf ihrem Feldzug nach Persien an dieser Kirche vorbei. In den letzten zehn Jahren verging kein Jahr, in dem Konstantin sein Heer nicht in einen Krieg geschickt hätte. So schnell feierte er Sieg um Sieg, dass die Steinmetze mit den entsprechenden Inschriften auf seinen Monumenten nicht nachkamen. In jüngeren Jahren und mit schärferem Blick hätte ich seine Heuchelei verachtet. Aber heute empfinde ich nur noch Mitleid mit ihm.
    Trotz der frühen Morgenstunde herrscht in der Kirche reger Betrieb. Bettler stehen vor dem Seitenportal Schlange, wo zwei Frauen Brot und Milch austeilen. Junge Männer mit schütteren Bärten wandeln zu zweit oder zu dritt über den Vorplatz. Sie halten Pergamente in den Händen und blicken ernst drein. Unter einer Platane sitzen Kinder mit Tafeln, denen ein Priester zu schreiben beibringt.
    Ein anderer Priester steht neben dem Haupttor und grüßt die Eintretenden. Er sieht mich und lächelt freundlich.
    «Friede sei mit dir.»
    Mir geht Symmachus nicht aus dem Sinn, wie er ausgestreckt am Fischbecken liegt. «Ich möchte mit Eusebius sprechen.»
    Das Lächeln bleibt. «Der Bischof ist heute früh in seine Heimatstadt Nikomedia aufgebrochen. Seine Arbeit hier hat er getan.»
    «Natürlich.»
    «Du siehst müde aus, Bruder. Tritt ein und teile mit uns das Brot.»
    Er lächelt immer noch beflissen.
    «Ist es wahr», frage ich, «dass ihr bei euren Ritualen Blut trinkt?»
    «Wir teilen das Blut Christi.»
    «Ich hoffe, ihr ertrinkt darin.»
    Ich lasse mir Zeit, mich an seiner Miene zu erfreuen, mache dann auf dem Absatz kehrt und gehe fort. Als ich den Vorplatz fast überquert habe, ruft mich jemand beim Namen.
    «Gaius Valerius?»
    Es ist Simeon, der Diakon. Er eilt auf mich zu und scheint sich zu freuen, mich zu sehen. Er sieht ausgeruht aus, nicht wie jemand, der vergangene Nacht einen Mann getötet hat.
    «Gut, dass ich dich treffe», sagt er. «Ich möchte Alexanders Bücher zurückhaben. Sein Geschichtswerk sollte vollendet werden.»
    Das Chronicon – das wahre Kompendium der Weltgeschichte, als Nachweis für Gottes Wirken gedacht. Ein Mythos, wie mir scheint, eine wohlwollende Vergangenheit, die es nie gegeben hat.
    «Ich war heute Morgen im Hafen, um Aurelius Symmachus zu verabschieden», sage ich. «Er ist nicht erschienen.»
    Simeon scheint tatsächlich überrascht zu sein. «Was ist passiert?»
    Ich warte darauf, dass er sich verrät. Aber da ist nichts – nur ein Spiegel meiner Neugier.
    «Weißt du noch nicht Bescheid?»
    Er legt die Stirn in Falten. Wenn er etwas wüsste, würde er es nicht zu erkennen geben.
    «Aurelius Symmachus ist letzte Nacht gestorben.»
    Er reagiert genau so, wie man es erwartet. Der Mund steht offen, die Augen sind weit aufgerissen. Vielleicht ist da auch eine Spur von Genugtuung, aber das bilde ich mir womöglich nur ein.
    «Bedauerlich», sagt er.
    «Ich dachte, du freust dich über seinen Tod.»
    «Ich habe für ihn gebetet. Christus kam in die Welt, um Sünder zu retten.»
    Verrückt, so etwas zu sagen. Ich hätte es normalerweise überhört, erinnere mich aber an Porfyrius’ Worte, wonach Alexander ihm nie nachgetragen hat, dass er, Porfyrius, an der Verfolgung der Christen beteiligt gewesen ist.
    Wie dem auch sei, ich habe keine Zeit für seine frommen Sprüche. Wenn er für Symmachus betet, bedankt er sich wahrscheinlich bei ihm, dass er die Schuld an Alexanders Tod auf sich genommen hat. Ich betrachte die Kirche, die hinter ihm aufragt. Die Gerüste auf dem Dach sehen aus wie Vogelnester. Handwerker kriechen über die Kuppel und bedecken sie mit Blattgold. Ich erinnere mich an die Menge, die hier am Tag nach dem Mord an Alexander zusammenlief, als Eusebius kam, um zu predigen.
    «Arbeitest du jetzt hier?»
    Er nickt. «Bischof Eusebius hat mir vor seiner Abreise nach Nikomedia einen Posten vermacht.»
    «Du bist befördert worden?» Meine Vermutung scheint zuzutreffen.
    Simeon bemerkt, wohin meine Fragen führen, und wird nervös.
    «Du profitierst also von Alexanders Tod.»
    «Ja, wenn man es böswillig sieht.»
    «Wie ist dir dabei?», setze ich nach. «Wie fühlt es sich an, wenn dir der Erzfeind deines toten Meisters unter die Arme greift?»
    «Alexander und Eusebius hatten einen Streit, der in Nicäa anfing. Damit hatte ich nichts zu tun.»
    «Alexander wollte verhindern, dass Eusebius Patriarch von Konstantinopel wird.»
    «Der Patriarch wird frei gewählt, und auch er besaß eine Stimme.» Simeon

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