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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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schüttelt frustriert den Kopf. Er will, dass ich ihn verstehe. «Unsere Welt unterscheidet sich von deiner. Wir streiten und debattieren, aber in Demut, denn wir trachten nicht danach, unsere Gegner auszumerzen, um zu siegen. Letztlich richtet nur Gott, und das erkennen wir an.»
    Wir trachten nicht danach, unsere Gegner auszumerzen, um zu siegen. War das auf mich gemünzt? Er ist so jung, so ernst. Ich könnte fast glauben, dass er von meiner Vergangenheit nichts weiß.
    Ich halte an meiner Linie fest. «Alexander wurde ausgemerzt», hebe ich hervor. «Das kam Eusebius sehr gelegen. Der Weg war frei für ihn. Er hat gewonnen.»
    «Du siehst Zusammenhänge, wo keine sind.»
    «Ist das so? Als Geschichtsgelehrter hat Alexander so manches aufgedeckt. In seinem Dokumentenkoffer steckte eine Menge skandalöses Material. Auch über Eusebius.»
    «Ich habe nicht gesehen, was in dem Koffer war.»
    Ich mache einen Schritt auf ihn zu. «Du warst zusammen mit Alexander in der Bibliothek und wahrscheinlich der Letzte, der ihn lebend gesehen hat. Später habe ich dich in seiner Wohnung ertappt, wo du in seinen Unterlagen herumgestöbert hast. Du brachtest die Nachricht von Symmachus’ Sklaven, der mir den Dokumentenkoffer übergeben wollte, und hast dafür gesorgt, dass er gefangen genommen wurde.»
    Simeon lässt sich nichts anmerken. Er bewahrt die Fassung, das muss ich ihm lassen. Er schaut mich an wie einen Verrückten, als wäre ich es, der sich um Kopf und Kragen redet.
    «Symmachus hatte die Dokumente», erinnert er mich.
    «Du hast die ganze Zeit für Eusebius Spitzeldienste geleistet. Als ihm klar wurde, wie viel Alexander weiß, hat er dich beauftragt, den alten Mann in der Bibliothek zu töten. Du hast ihn mit der Büste des Hierocles erschlagen, um den Verdacht auf Symmachus zu lenken, und weil das nicht reichte, hast du seinem Sklaven die Dokumente gegeben und ein Treffen arrangiert, um ihn in die Falle zu locken. Und als auch dieser Plan nicht aufging, bist du in sein Haus eingestiegen, hast ihn umgebracht und den Mord wie Selbstmord aussehen lassen.»
    Ich kann seine Miene nicht deuten, aber Schuld, Furcht oder Wut sind nicht darin zu entdecken. Er bleibt erstaunlich ruhig. Es scheint fast, als bemitleide er mich.
    «Ich hatte den Schlüssel zu seiner Wohnung», entgegnet er. «Wenn Eusebius gewollt hätte, dass ich Alexander aus dem Weg räume, wäre es da nicht sehr töricht von mir gewesen, ihn an einem öffentlichen Ort derart brutal umzubringen? Und warum hätte ich mir die Mühe machen sollen, einen Sündenbock zu liefern? Es wäre doch viel einfacher gewesen, des Nachts in seine Kammer einzudringen und ihn zu töten. Ich bin doch, wie du mir unterstellst, äußerst geschickt darin, einen Selbstmord vorzutäuschen.»
    Den Christen muss man eines lassen: Sie können vortrefflich argumentieren. War er schon immer so? Er kommt mir heute anders vor, stärker und selbstbewusster. Als ich ihn das erste Mal sah, bebte er vor Wut und sprühte Funken, wenn ich ihn stichelte. Jetzt ist das Eisen ausgekühlt.
    Seine Antworten kommen ihm so leicht über die Lippen, dass man glauben möchte, er habe sie einstudiert. Oder vielleicht ist auch die Geschichte, die ich zu weben versuche, so fadenscheinig, dass sich ohne weiteres Löcher hineinreißen lassen.
    Und dann wäre da auch noch die Frage von Porfyrius. Was für einen Sinn hat es, auf Symmachus aufmerksam zu machen, indem man ihn tötet? Warum hat man den Alten nicht einfach ins Exil ziehen lassen?
    Ich bin plötzlich schrecklich müde. Mir schwindelt, ich wanke. Simeon ergreift meinen Arm und versucht, mich zu einer Bank zu führen, doch ich reiße mich von ihm los. Er weicht zurück. Seine Augen leuchten.
    «Der Augustus weiß, dass es kein Christ gewesen sein kann. Deshalb hat er dich beauftragt, den Fall zu untersuchen. Er weiß, es war ein Anhänger der alten Religion, der den Mord verübt hat.»
    Benommen, wie ich bin, verliere ich die Beherrschung. «Ich bin es leid, gesagt zu bekommen, dass ein Christ zu einer solchen Tat nicht in der Lage wäre! Ihr kämpft doch unablässig gegeneinander!»
    «Du weißt nichts über Christen.»
    «Erinnerst du dich an das Konzil von Nicäa?»
    Er zuckt mit den Achseln. «Ich war damals zwölf Jahre alt.»
    «Ich war zugegen. Zweihundertfünfzig Bischöfe kamen zusammen, und es gab nichts als Streit.»
    «Natürlich. Wir streiten immer; wir können gar nicht anders. Die Fragen, um die es geht, sind uns sehr wichtig.» Er

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