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Die Geheimnisse der Toten

Die Geheimnisse der Toten

Titel: Die Geheimnisse der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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keinen Krieg. Wer wollte nicht daran glauben?»
    Ich krause die Stirn. «Keinen Krieg? Weißt du denn nicht, dass Konstantin in diesem Augenblick, da wir miteinander reden, seine Truppen zusammenzieht, um gegen Persien zu marschieren?»
    Ich stehe auf, von einer Wut getrieben, die ich unter Kontrolle zu haben glaubte. «Willst du wissen, warum ich nicht den Glauben angenommen habe, dem nunmehr alle anhängen, vom Kaiser angefangen bis zum Bademeister?»
    Porfyrius wartet höflich auf meine Erklärung, was mich noch wütender macht.
    «Die Heuchelei! Ihr predigt Frieden, Vergebung und ein ewiges Leben, werdet aber schließlich wie Alexander enden, ausgestreckt auf der Bahre und mit zugeklebten Augen.»
    Porfyrius lacht laut auf. «Endest du nicht etwa ebenso?»

[zur Inhaltsübersicht]
    19
    Priština, Kosovo – Gegenwart
    Abby überquerte die Eisenbahnschienen unten in der Stadt und ging auf der anderen Seite bergan. Die Straßen waren still an diesem frühen Sonntagmorgen: keine spielenden Kinder, kein Verkehr. Tief hängende Wolken zogen über das Tal und sorgten für eine milchig weiße Luft. Abby hatte die Nacht in einem Hotel verbracht, in dem selten Ausländer verkehrten, und hatte jedes Mal, wenn sich der Fahrstuhl neben ihrem Zimmer in Bewegung setzte, die Lippen aufeinandergepresst. Um nicht aufzufallen, hatte sie dann in aller Frühe ausgecheckt und war durch den Hintereingang entschlüpft.
    Levin, OMPF , lautete eine Eintragung in Michaels Notizbuch. OMPF stand für Office of Missing Persons and Forensics – jedenfalls hatte es bis vor einem Jahr dafür gestanden, als das Office in Abteilung für Gerichtsmedizin umbenannt worden war. Michael hatte sich um solche verwaltungstechnischen Details nie gekümmert. Mit Levin, so vermutete sie, war Shai Levin gemeint, der Chefanthropologe. Abby hatte ihn über die Jahre mehrere Male an verschiedenen Orten der Welt getroffen, zweifelte aber daran, dass sie ihm in Erinnerung geblieben war.
    Das letzte Mal war sie ihm im vergangenen Juni auf einer Party in Michaels Haus begegnet. Er selbst wohnte in einer der renovierten Villen am Hang, wo die Auslandsvertreter hoch über der Stadt residierten, die sie zu verwalten hatten. Je höher man kam, desto hübscher wurden die Häuser, die Botschaften stattlicher. Ganz oben auf dem Hügel lag, versteckt hinter einem Felsvorsprung, die Camp Film City: das Hauptquartier der KFOR in dieser Unruheprovinz. An der hierarchischen Struktur konnte kein Zweifel bestehen.
    Abby passierte die Fahrzeuge der Diplomaten, die am Bordstein parkten, stieg über die Stufen auf die Privatvilla zu und klingelte. Hoffentlich an der richtigen Tür, dachte sie.
    «Kann ich Ihnen helfen?»
    Shai Levin erschien im Eingang. Er trug ein weißes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, das über den Bund seiner Cargo-Hose hing. Seine Füße waren nackt. Er hatte olivbraune Haut, schwarze Locken und sanfte dunkle Augen, die von den Schrecken, die er Tag für Tag miterlebte, nichts verrieten. Seine Art war sanft und höflich, sein Englisch hatte einen leichten Akzent. Unter den internationalen Helfern war er so etwas wie eine Legende. Manche, die es nicht besser wussten, nannten ihn einen Heiligen, worauf er immer nur lächelnd zu verstehen gab, dass er Jude sei.
    «Abby Cormac», stellte sie sich vor. «Ich arbeite für die Justiz.»
    Sie fragte sich, wie weit ihr Ruf inzwischen reichte. Levins Miene war unmissverständlich.
    «Sie waren mit Michael Lascaris vom Zoll zusammen, nicht wahr? Tut mir leid. Ich habe gehört, was passiert ist.»
    Und was hast du sonst noch gehört? Ein grauer KFOR-Hubschrauber flog über sie hinweg und landete in der Film City. Abby rückte näher an die Tür heran.
    «Ich habe Ihren Namen in Michaels Aufzeichnungen gefunden. Es scheint, dass Sie kurz vor seinem Tod mit ihm zusammengetroffen sind.»
    Levin nickte. «So ist es.»
    «Ich versuche herauszufinden, warum er getötet wurde.»
    Ein Schatten legte sich auf Levins Gesicht. Er sah aus wie jemand, der von einer lange befürchteten Diagnose in Kenntnis gesetzt wurde. Nach kurzem Zögern schob er die Tür weiter auf.
    «Kommen Sie herein.»
    Er führte Abby in ein großes, modern eingerichtetes Wohnzimmer mit Parkettboden und breiter Fensterfront mit Blick auf die Stadt. Sie bewunderte das Panorama von einem Ledersofa aus, während er Tee machte. Selbst auf einen uneingeladenen und entsprechend nervösen Gast wirkte das Zimmer beruhigend.
    Er stellte zwei Tassen Tee auf einen

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