Die Geheimnisse des Nicholas Flamel - Die silberne Magierin: Band 6 (German Edition)
betrachtete das Gesicht … und große Rinderaugen blickten ihn entsetzt und flehentlich daraus an.
Der Anpu-Kommandeur wankte erschüttert ein paar Schritte zurück und hob die Faust. Die Asterion-Truppe stellte sich in einem engen Kreis kampfbereit um ihn auf, ihre Speere und Schwerter zeigten nach außen. Die Hand des Anpu zitterte, als er ein Horn aus seinem Gürtel zog. Er hob es an die Lippen, um mit dem entsprechenden Signal Unterstützung anzufordern.
Nichts geschah.
Irritiert schüttelte er das Horn und versuchte es erneut. Es kam kein Ton heraus.
Er drehte sich im selben Moment um, als eine schlanke Humani-Frau vortrat, ihren Hut abnahm und ihn dem alten Mann an ihrer Seite gab. Sie hatte die Lippen gespitzt und blies offenbar in eine hölzerne Flöte, doch der Anpu hörte nichts. Er ließ das Horn fallen und griff nach seinem Khopesh. Als er die Hand darauflegte, zerfiel das Metall des Sichelschwerts zu Staub. Darauf zerbröckelten mit einem Schlag sämtliche Metallteile seiner Uniform. Die Schnallen und Haken sowie das Messer in seinem Gürtel wurden zu Staub und wehten davon. Schließlich zerfielen auch seine Eisenschuhe zu Staub.
Die Schlachtordnung der Asterionen geriet durcheinander, als zuerst ihre Waffen, dann ihre Rüstungen und schließlich die Kleidung knackte, auseinanderbrach und ebenfalls zu Staub wurde.
Jemand in der Menge lachte. Ein Zweiter und ein Dritter stimmten ein. Gelächter breitete sich wie eine Welle über den Marktplatz aus, schwoll an und wurde zu einer brüllenden Woge aus Hohn und Spott.
»Ohne Leder und Metall siehst du nicht mehr ganz so Furcht einflößend aus, wie?«
Der Anpu schaute die Humani an. Er wusste nicht, ob er angreifen oder fliehen sollte. In den Kasernen hatte man sich von einer Humani erzählt, die über die Kanäle gekommen sei. Mindestens zwei Anpu-Trupps seien bewusstlos auf den Brücken liegen geblieben. Er hatte die Geschichte natürlich nicht geglaubt. Sie war schlicht lächerlich.
»Sag deinen Vorgesetzten, dass wir kommen«, befahl die Humani. Sie beschrieb mit der rechten Hand einen Bogen, der die Menge einschloss. »Wir alle.«
Der Anpu drehte sich um und floh, gefolgt von den Asterionen. Das spöttische Gejohle und Gelächter ging noch sehr lange weiter.
Die Leute drängten sich um Virginia und Dee und brüllten ihre Freude laut hinaus. Virginia lachte. »Siehst du, so ziehst du die Leute auf deine Seite. Du bringst sie einfach dazu, über den Feind zu lachen. Und wir brauchten niemanden umzubringen.«
»Was ist mit der Statue?«
»Oh, er ist nicht tot. Die Starre löst sich irgendwann wieder auf. Und jetzt wollen wir mit den Leuten über Freiheit reden.« Sie kletterte auf einen Obststand und half Dee zu sich herauf.
»Dann hast du den Streit mit mir nur vom Zaun gebrochen, damit die Leute auf uns aufmerksam wurden?«, fragte er. »Es war ein Trick?«
Virginia antwortete nicht.
»War es einer?«
Virginia blickte über das Meer von Gesichtern und breitete die Arme aus. Ihr langes, kohlschwarzes Haar hob sich von ihren Schultern und stand wie Flügel hinter ihrem Kopf. Ein Raunen ging durch die Menge, dann trat andächtige Stille ein.
»Was weißt du über mich?«, fragte sie Dee leise. »Außer dass ich meinen Gebieter des Älteren Geschlechts umgebracht habe?«
Er überlegte einen Augenblick. »Nichts«, gab er dann zu.
»Und wie lange kennen wir uns schon?«
»Lange genug. Vierhundert Jahre, vielleicht mehr.«
Virginia schaute ihn schweigend an.
Dee zuckte mit den Schultern. »Du hast recht. Ich hätte fragen sollen. Was soll ich sagen? Ich war egoistisch. Aber das war zu einer anderen Zeit und ich war ein anderer. Die Menschen können sich ändern. Ich habe mich geändert«, fügte er rasch hinzu. »Ich bin nicht mehr unsterblich. Da ändert sich die Perspektive.«
»Menschen von Danu Talis«, rief Virginia. Ihre Stimme war auf dem ganzen Platz zu hören. »Ich bin Virginia Dare …«
»Virginiadare … Virginiadare … Virginiadare …« Die Menge wiederholte ihren Namen als ein Wort.
»Und das ist John Dee …«
»Johndee … Johndee … Johnedee …«
»Wir sind gekommen, um euch zu befreien!«
Die Menge brüllte. Es war ein lang gezogenes, bellendes Gebrüll, ähnlich dem Donnern einer Brandungswelle, wenn sie ans Ufer schlägt.
»Von Eiscreme mit Schokostreuseln bekomme ich Ausschlag«, rief sie unvermittelt und so laut, dass er sie über dem Geschrei hören konnte.
»Oh, gut.«
»Gut?«
»Es ist meine
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