Die Geheimnisse des Nicholas Flamel - Die silberne Magierin: Band 6 (German Edition)
half zuerst Johanna beim Aussteigen, dann Shakespeare und schließlich Saint-Germain. Prometheus legte die Schulter an das demolierte Flugzeug und drückte. Einen Augenblick lang hielt es stand, dann löste es sich mitsamt etlichen Klumpen erstarrtem Gold von der Plattform und fiel über den Rand der Pyramide. Es beschrieb einen flachen Bogen und zerschellte dann an den Stufen. Holz und Metall stoben in alle Richtungen.
Johanna schaute ihm nach. »Das wird für jemanden da unten eine nette Überraschung.« Die Stufen schienen sich bis in alle Ewigkeit fortzusetzen und die Menschen tief unten waren nur winzige Pünktchen.
»Bis es unten ankommt, ist wahrscheinlich nichts mehr davon übrig«, vermutete Saint-Germain lächelnd. »Vielleicht nur noch Staub.«
Unten auf dem Platz landeten die restlichen Vimanas und Gleitschirme und schwach – ganz, ganz schwach – drangen die ersten Kampfgeräusche zu ihnen herauf.
»Geht ein paar Stufen nach unten und nehmt eure Plätze ein«, wies Prometheus die anderen an. »Lasst niemanden aufs Dach. Will und Palamedes, ihr übernehmt die Nordseite. Kannst du den Westen übernehmen, Saint-Germain? Johanna, du nimmst den Osten und ich passe im Süden auf.«
»Warum darfst du auf die gefährliche Seite?«, fragte Saint-Germain.
Der Ältere lächelte. »Alle Seiten sind gefährlich.«
Die kleine Gruppe nahm sich rasch noch einmal gegenseitig in den Arm. Obwohl kein Wort gesprochen wurde, war doch allen klar, dass sie sich vielleicht zum letzten Mal sahen.
Saint-Germain küsste Johanna, bevor sie sich trennten. »Ich liebe dich«, flüsterte er.
Sie nickte. In ihren schiefergrauen Augen standen Tränen.
»Wenn das hier vorbei ist, schlage ich vor, wir machen eine zweite Hochzeitsreise«, raunte er.
Johanna lächelte. »Gerne. Hawaii ist um diese Zeit immer besonders schön und du weißt, wie sehr es mir dort gefällt.«
Saint-Germain schüttelte den Kopf. »Wir gehen nirgendwo hin, wo es einen Vulkan gibt.«
»Ich liebe dich«, flüsterte sie und wandte sich ab, damit keiner sehen musste, dass der andere weinte.
»Komme ich in deinem Stück auch vor?«, fragte Palamedes, als er neben Shakespeare die Stufen an der Nordseite der Pyramide hinunterstieg.
»Selbstverständlich. Dich mache ich zum Helden.«
»Hast du nicht gesagt, dass die besten Texte für die Bösewichte geschrieben werden?«
»Stimmt.« Shakespeare zwinkerte ihm zu. »Aber die Helden halten die längsten Monologe.«
»Hast du schon einen Titel?«
» Ein Mittsommernachtsalbtraum .«
Palamedes lachte. »Eine Komödie wird es dann eher nicht, oder?«
KAPITEL DREIUNDSECHZIG
O hne jemanden zu streifen, bewegte sich Scathach leichtfüßig durch die riesige skandierende Menschenmenge vor dem Gefängnis. Mit geübtem Blick schätzte sie die Zahl der Menschen – zehntausend vielleicht, womöglich mehr. Und nicht nur junge Leute. Vor den Gefängnismauern hatten sich Männer und Frauen jeden Alters versammelt.
Sie hörte sie nervös und aufgeregt miteinander reden.
Die Leute waren sich der Gefahr bewusst, aber es war ihnen auch klar, dass dies ihre einzige Chance war, jemals Freiheit zu erlangen. Falls Aten starb, starb mit ihm auch jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Und sie hatten eine Heldin – eine Stimme.
In Windeseile hatte sich in den Slums und Hintergassen Geschichten von einer schwarzhaarigen Frau verbreitet, die sich über zehn Wachleute lustig gemacht und sie in die Flucht geschlagen hatte. Vielleicht waren es auch hundert gewesen oder gar tausend. Sie hatte einen Mann oder eine Bestie in Stein verwandelt. In einer anderen Version der Geschichte hatte sie ihn schrumpfen lassen und mit dem Fuß zertreten. Die Menschen von Danu Talis waren in Scharen herbeigeströmt, um die Frau mit den Kräften einer Älteren zu sehen.
Scathach schlängelte sich zur ersten Reihe durch und blieb stehen, als sei sie gegen eine Mauer gelaufen. Sie hatte nicht gewusst, was – oder wer – die Menschen anführte. Doch nie im Leben – und sie lebte schon zehntausend Jahre – hätte sie damit gerechnet, jetzt Virginia Dare gegenüberzustehen … und Dr. John Dee.
Die beiden waren in einigem Abstand vor der Menge mit gesenktem Kopf in eine Unterhaltung vertieft. Scathach sah, wie die Frau dem Magier den Finger in die Brust bohrte, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.
Hinter den beiden Unsterblichen standen am jenseitigen Rand des Platzes reglos und stumm reihenweise Anpu- und Asterion-Krieger vor der
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