Die Geheimnisse des Nicholas Flamel - Die silberne Magierin: Band 6 (German Edition)
Luftschiff hob ab. Sophie, Josh und Virginia blieben allein mitten auf dem Platz zurück. Kaum war das Vimana über den Dächern verschwunden, flog eine Tomate über die Köpfe der Menge und zerplatzte vor Joshs Füßen auf dem Pflaster. Zwei weitere folgten.
»Freut mich, dass Isis und Osiris tatsächlich von den Leuten hier respektiert werden«, bemerkte Josh.
»Gehen wir«, rief Virginia. Sie nahm Josh und Sophie am Arm und zog die beiden weg. »Gewöhnlich fängt es mit Obst und Gemüse an …«
Ein Stein prallte vom Boden ab und zersprang.
»… aber es endet immer mit Steinen.«
KAPITEL SIEBEN
F arben:
Helle, leuchtende Farben …
Schillernde, tanzende Regenbogen …
Pulsierende Lichtbänder …
Flamel erhob sich über den Pier und ließ sich von unsichtbaren Luftströmungen immer höher hinauftragen. Er blickte hinunter, sah das Grüppchen Menschen und sich mitten drin.
Er flog.
Es war ein unwahrscheinliches Gefühl.
Es hatte eine Zeit gegeben, in der er fast täglich zum Himmel aufgestiegen war und die Welt mit Pedros Augen betrachtet hatte. Dabei hatte er den Reiz des Fliegens nie wirklich verstanden, bis er über die Inseldschungel im Pazifik geflogen war, über die kaputten Straßen von Rom und über Irlands grüne Pachtwork-Felder und alles durch Pedros große Augen gesehen hatte. Da hatte Nicholas begriffen, weshalb Leonardo da Vinci so viel Zeit in den Bau von Maschinen gesteckt hatte, die dem Menschen das Fliegen ermöglichen sollten. Vielleicht war an den Gerüchten ja etwas Wahres dran. Vielleicht war Leonardo tatsächlich ein Unsterblicher und hatte gelernt, die Welt durch die Augen eines Vogels zu sehen.
Obwohl Spätnachmittag war und es bereits zu dämmern begann, war die Welt, durch die Augen des Sittichs gesehen, voll sprühender Farben. Der Embarcadero strahlte in Gelb und Gold. Die Wärme, die von der Uferstraße aufstieg, waberte in heißen Wellen über das Wasser.
Flamel spürte den Wind über seinen Körper streichen und hörte das Wispern der Federn. Die jahrelange Flugerfahrung mit Pedro hatte ihn gelehrt, nicht nachzudenken, sondern sich einfach auf ein Ziel zu konzentrieren und alles andere den Instinkten des Vogels zu überlassen. Phosphoreszierende Schaumbläschen trübten das Wasser unter ihm, warme und kalte Strömungen wechselten sich ab.
Alcatraz war nur eine knappe Meile vom Ufer entfernt. Für einen wild lebenden Sittich war das keine Entfernung, doch Flamel wusste, dass der Vogel nur ungern über das Wasser flog. Schon ein vager Gedanke an festes Land veranlasste ihn, auf der Stelle umzudrehen und zu den grellen Lichtern des Embarcadero zurückzukehren. Er kreischte und die leuchtend bunten Vögel auf den Dächern entlang der Uferstraße hießen ihn lautstark willkommen.
Flamel holte sich wieder das unverwechselbare Bild von Alcatraz vor sein geistiges Auge und der Vogel machte fast widerwillig kehrt und nahm den alten Kurs wieder auf. Er stieg höher hinauf, entfernte sich weiter von der salzigen Gischt, sodass der Alchemyst die Insel deutlich erkennen konnte: ihre längliche, niedere, unschöne Form mit dem weißen Gefängnis oben auf dem Hügel und dem Leuchtturm, der wie ein erhobener Finger in den Himmel ragte. Hinter ihm und zu seiner Rechten sah er die Bay Bridge als rotweiß gestreiftes Band, während die Golden Gate Brücke in der Ferne sich als verschwommener, waagerechter Balken aus flirrenden Streifen warmer und heißer Luft darstellte.
Alcatraz dagegen lag in völliger Dunkelheit, keine Wärme stieg vom Boden auf.
Als er näher an die Insel herankam, stellte er fest, dass Perenelle recht gehabt hatte. Es waren keine anderen Vögel mehr in der Luft. Die unzähligen Möwen, die sonst immer über den Felsen kreisten und sie mit ihrem weißen Kot überzogen, fehlten und auch sonst bewegte sich nichts. Weder Kormorane noch Tauben waren zu sehen. Und dabei war Alcatraz ein Vogelschutzgebiet; Hunderte Vögel brüteten dort jedes Jahr.
Flamel schauderte und spürte, wie sein Schaudern auch durch den kleinen Vogel ging. Irgendetwas hatte hier geaast.
Als der Sittich die felsige Küste erreichte, schaukelte er mit unterschiedlichen Luftströmungen auf und nieder. Dann beschrieb er einen Bogen über dem Dock und ließ sich schließlich auf einem Stand mit Informationstafeln für Besucher nieder. Flamel ließ den Vogel einen Augenblick ausruhen. Hüpfend drehte dieser sich einmal um die eigene Achse und verschaffte dem Alchemysten so einen Rundumblick
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