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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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als einem Messer versehen, der Bestie entgegen, die sich nun gegen den neuen Feind wandte.
    Der Kampf währte bei der ungewöhnlichen Kraft des Unbekannten nur kurze Zeit. Mit mächtiger Hand, die wie eine Scheere einschnitt, hatte er den Jaguar, ohne der Tatzenschläge des Thieres zu achten, die ihm das Fleisch zerrissen, an der Kehle erfaßt und bohrte ihm mit der Hand das Messer bis an’s Heft in’s Herz.
    Der Jaguar fiel zusammen. Der Unbekannte schob ihn noch mit einem Fußtritte fort und wollte eben wieder davon eilen, als die Colonisten den Schauplatz erreichten, und Harbert, sich an ihn anklammernd, noch ausrief:
    »Nein! Nein! Sie dürfen nicht wieder fort!«
    Auch Cyrus Smith trat jetzt an den Unbekannten heran, dessen Stirn sich schon bei dieser Annäherung runzelte. Von seiner Schulter floß das Blut durch die zerrissene Jacke, doch er schien das nicht zu beachten.
    »Mein Freund, redete Cyrus Smith ihn an, Sie haben uns Pflichten der Dankbarkeit auferlegt. Um unser Kind zu retten, haben Sie Ihr Leben eingesetzt!
    – Mein Leben! murmelte der Unbekannte. Welchen Werth hat es denn? Weniger als gar keinen!
    – Sie sind verletzt?
    – Das thut nichts.
    – Wollen Sie mir die Hand reichen?«
    Und als Harbert die Hand ergreifen wollte, der er seine Rettung verdankte, kreuzte der Unbekannte die Arme auf der schwer arbeitenden Brust, sein Blick verschleierte sich wieder und er schien fliehen zu wollen; doch mit merkbarer Selbstüberwindung stieß er die Worte hervor:
    »Wer sind Sie, und was glauben Sie mir gegenüber zu sein?«
    Zum ersten Male machte er eine Anspielung, die Geschichte der Colonisten erfahren zu wollen. Vielleicht hielt er nachher auch mit der seinigen nicht zurück.
    Mit wenigen Worten theilte ihm Cyrus Smith Alles mit, was sich seit ihrer Abfahrt aus Richmond ereignet hatte, wie sie sich geholfen, und welche Hilfsquellen ihnen jetzt zu Gebote ständen.
    Der Unbekannte lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit.
    Dann sagte ihm der Ingenieur, wer sie Alle seien, Gedeon Spilett, Harbert, Pencroff, Nab, er selbst und fügte hinzu, daß die größte Freude seit ihrer Ankunft auf Lincoln die gewesen sei, bei der Rückkehr von dem Eilande einen Genossen mehr zählen zu können.
    Bei diesen Worten erröthete Jener, sein Kopf sank auf die Brust herab, und eine auffallende Verwirrung bemächtigte sich seiner ganzen Person.
    »Und jetzt, da Sie uns kennen, begann Cyrus Smith wieder, werden Sie uns nun Ihre Hand reichen?
    – Nein, antwortete der Unbekannte mit dumpfer Stimme, nein! Sie, Sie sind ehrliche Leute! Ich aber …«
Siebenzehntes Capitel.
Immer für sich. – Eine Frage des Unbekannten. – Die Meierei bei der Hürde. – Seit zwölf Jahren. – Der Quartiersmeister der Britannia. – Ausgesetzt auf der Insel Tabor. – Die Hand Cyrus Smith’s. – Das geheimnißvolle Document.
    Diese letzten Worte rechtfertigten die Ahnungen der Ansiedler. Das Leben des Unglücklichen umschloß eine furchtbare Vergangenheit, die Jener in den Augen der Menschen wohl gesühnt hatte, für die ihm sein Gewissen aber die Absolution noch immer, verweigerte. Jedenfalls quälten den Sünder Gewissensbisse und bereute er gewiß tief; aber er fühlte sich noch nicht würdig, seine Hand, welche die neuen Freunde so gern in herzlicher Dankbarkeit gedrückt hätten, ehrenwerthen Leuten entgegen zu strecken! Mindestens kehrte er nach dem Auftritte mit dem Jaguar nicht wieder in die Wälder zurück, sondern verweilte nun beständig im Bereiche des Granithauses.
    Was betraf wohl jenes Geheimniß seines Lebens? Würde er sich einmal darüber aussprechen? – Das mußte die Zukunft lehren. Jedenfalls hielt man an dem Vorsatze fest, es ihm auf keine Weise entlocken zu wollen, und mit ihm zu leben, so als ob man keinerlei Verdacht hegte.
     

    Harbert aus Todesnoth errettet. (S. 437.)
     
    Einige Tage lang verfloß das gemeinschaftliche Leben in gewohnter Weise. Cyrus Smith und Gedeon Spilett arbeiteten, bald als Chemiker, bald als Mechaniker, einträchtig mit einander. Von der Seite des Ingenieurs wich der Reporter nur dann, wenn er mit Harbert der Jagd obliegen wollte, da es nicht gerathen erschien, den jungen Mann allein und ohne Unterstützung die Wälder durchstreifen zu lassen. Auch für Nab und Pencroff fehlte es, heute in den Ställen und auf dem Hühnerhofe, morgen in der Viehhürde, die Tagesgeschäfte im Granithause gar nicht zu erwähnen, niemals an Arbeit.
    Der Unbekannte war stets für sich allein thätig und

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