Die geheimnißvolle Insel
durch die Empörung der Südstaaten mit Blut getränkt wurde! Wohl war das für sie ein peinlicher Schmerz, und oft unterhielten sie sich davon, doch ohne jemals zu zweifeln, daß die Sache des Nordens zur Ehre der Union ja endlich siegen müsse.
Während dieser zwei Jahre war kein Schiff bei der Insel Lincoln vorüber gekommen, mindestens kein Segel wahrgenommen worden. Es lag auf der Hand, daß diese Insel sich außerhalb der befahrenen Straßen befand, und wahrscheinlich noch nicht einmal bekannt war – was man den Karten nach annehmen mußte – denn trotz des Mangels eines eigentlichen Hafens hätte ihr Reichthum an Wasser doch solche Schiffe anziehen müssen, welche ihre Vorräthe an jenem zu erneuern wünschten.
Eine aufflatternde Schneedecke. (S. 463.)
Immer blieb das umgebende Meer aber verlassen, so weit es auch der Blick beherrschen mochte, und die Colonisten durften wohl nur auf sich allein zählen, wenn sie je ihr Vaterland wieder zu sehen hofften.
Noch eine Aussicht auf Erlösung gab es freilich, und über diese verhandelte man dann an einem Tage der ersten Aprilwoche sehr ausführlich, als die Colonisten im großen Saale des Granithauses beisammen saßen.
Das Gespräch betraf eben Amerika, das geliebte Vaterland, welches wieder zu sehen man so wenig Hoffnung hatte.
»Entschieden bleibt uns nur ein Mittel übrig, sagte Gedeon Spilett, ein einziges, um die Insel Lincoln zu verlassen, und das besteht in der Erbauung eines auch für größere Entfernungen seetüchtigen Schiffes. Mir will es scheinen, daß wer eine Schaluppe bauen konnte, auch mit einem Seeschiffe zu Stande kommen müsse.
– Und daß man ebenso gut nach dem Pomotu-Archipel segeln kann, wie nach der Insel Tabor, fügte Harbert hinzu.
– Ich bestreite das nicht, antwortete Pencroff, der in allen das Seewesen betreffenden Fragen eine entscheidende Stimme hatte, ich bestreite das nicht, obwohl es nicht ein und dasselbe ist, kurze oder lange Entfernungen zurück zu legen. Wäre unsere Schaluppe auf der Fahrt nach der Insel Tabor auch von noch schlimmerem Wetter heimgesucht worden, so wußten wir doch, daß auf der einen oder der anderen Seite ein Hafen nicht allzuweit war. Aber 1200 Meilen zu durchsegeln ist ein gutes Stück Wegs, und so weit liegt das nächste Land doch mindestens von uns entfernt.
– Würden Sie im gegebenen Falle vor diesem Versuche zurückschrecken, Pencroff, fragte der Reporter.
– Ich unternehme Alles, was Sie verlangen, Herr Spilett, erwiderte der Seemann, und Sie kennen mich wohl auch nicht als den Mann, der sich bange machen läßt.
– Ich bemerke übrigens, fiel Nab ein, daß wir noch einen zweiten Seemann unter uns haben.
– Wen denn? fragte Pencroff.
– Ayrton.
– Das ist wahr, sagte Harbert.
– Wenn er der Sache zustimmte! warf Pencroff ein.
– Gut! sagte der Reporter, glauben Sie denn, daß Ayrton, wenn Lord Glenarvan’s Yacht sich während der Zeit seines dortigen Aufenthalts bei der Insel Tabor zeigte, es abgeschlagen hätte, mit derselben abzureisen?
– Sie vergessen, meine Freunde, sagte Cyrus Smith, daß Ayrton während der letzten Jahre nicht zurechnungsfähig war. Darin liegt aber auch nicht der Schwerpunkt der Frage. Für uns handelt es sich darum, zu wissen, ob wir die Rettung durch das schottische Schiff unseren Aussichten für die Zukunft mit Recht beizählen dürfen oder nicht. Lord Glenarvan hat Ayrton übrigens angedeutet, daß er einst, wenn er Jenes Verbrechen für gesühnt erachte, wiederkehren werde, um ihn aufzunehmen, und daran glaube ich auch.
– Ja, meinte der Reporter, ich bin sogar der Ansicht, daß er nun bald kommen müsse, da Ayrton schon vor zwölf Jahren ausgesetzt wurde!
– Rücksichtlich des Lords und seiner vielleicht nahe bevorstehenden Wiederkunft, sagte Pencroff, stimme ich wohl ganz mit Ihnen überein. Doch wo wird er dann landen? – An der Insel Tabor und nicht an der Insel Lincoln!
– Das ist um so mehr anzunehmen, meinte Harbert, als Letztere noch auf keiner Karte verzeichnet zu sein scheint.
– So werden wir, meine Freunde, fuhr der Ingenieur fort, die nöthigen Maßregeln treffen müssen, um Ayrton’s und unsere Anwesenheit auf der Insel Lincoln auch auf Tabor zu signalisiren.
– Gewiß, nahm der Reporter das Wort, und zu dem Zwecke dürfte sich Nichts mehr empfehlen, als in der Hütte, die Kapitän Grant und Ayrton als Wohnung gedient hat, eine Notiz über die genaue Lage unserer Insel zu hinterlegen, welche Lord Glenarvan
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