Die geheimnißvolle Insel
Cyrus Smith und seine Begleiter ihre Blicke umherschweifen. Doch wenn diese auch stumm blieben, so verhinderte das Top nicht, durch sein Bellen das tausendfache Echo jener Basaltwälle wach zu rufen. Dem Ingenieur wollte es sogar scheinen, als habe sein Gebell dieselbe Eigenartigkeit, wie er es von dem Hunde schon an der Schachtmündung vernommen hatte.
Rückkehr von der Jagd. (S. 474.)
»Legen wir uns noch näher an die Küste«, sagte er.
So nahe als möglich streifte der Bonadventure die Felsen des Ufers.
»Wenn Etwas in der Welt gewiß ist, Spilett …« (S. 476.)
Vielleicht kam dort eine der genaueren Untersuchung werthe Grotte zum Vorschein? – Doch Cyrus Smith sah nichts dergleichen, keine Höhle, keine Ausbuchtung, welche irgend einem lebenden Wesen hätte als Zuflucht dienen können, denn der Fuß der Felsen badete sich überall in dem brandenden Wasser. Bald ließ auch Tops Unruhe nach, und das Schiff entfernte sich wieder auf einige Kabellängen vom Ufer.
Im nordwestlichen Theile der Insel wurde der Strand flach und sandig. Nur selten unterbrachen einzelne Bäume das tiefe, sumpfigere Land, das den Ansiedlern schon bekannt war, und hier bekundete sich wieder, im grellen Gegensatz zu der anderen so verödeten Küste, durch unzählige Wasservögel ein lautes, üppiges Leben.
Gegen Abend ankerte der Bonadventure in einer leichten Einsenkung des Ufers im Norden der Insel, und wegen der hinreichenden Wassertiefe sehr dicht am Lande. Die Nacht verlief friedlich, denn die Brise war so zu sagen eingeschlafen und erwachte erst wieder mit dem Morgenrothe des jungen Tages.
Da sich eine Landung hier unschwer bewerkstelligen ließ, so gingen die concessionirten Jäger der Colonie, nämlich Harbert und Gedeon Spilett, an’s Land und kehrten nach mehreren Stunden mit einigen Reihen Enten und Becassinen an Bord zurück. Top errang sich dabei alle Anerkennung, und Dank seiner hurtigen Gewandtheit war keine einzige Jagdbeute verloren gegangen.
Um acht Uhr Morgens setzte der Bonadventure wieder Segel bei und fuhr sehr schnell nordwärts auf das Kiefern-Cap zu, denn nicht nur hatte er den Wind im Rücken, sondern die Brise schien auch auffrischen zu wollen.
»Uebrigens, ließ sich da Pencroff vernehmen, würde es mich gar nicht wundern, wenn ein steiferer Westwind im Anzuge wäre. Gestern ging die Sonne sehr roth unter, und heute zeigen sich da oben ›Windbäume‹, welche nicht viel Gutes weissagen.«
Diese Windbäume bestehen aus langgestreckten, gewissermaßen aufgefaserten Cyrrhuswolken, die über den Zenith verstreut und niemals unter 5000 Fuß über dem Meere anzutreffen sind. Sie ähnelten fast leichten, langgezogenen Wattebäuschchen, und verkündigt deren Auftreten meist einen bevorstehenden Kampf in den Schichten des Luftmeeres.
»Nun, dann wollen wir, sagte Cyrus Smith, so viel Leinwand als möglich geben und den Haifisch-Golf noch zu erreichen suchen. Ich denke, in ihm wird der Bonadventure vollkommen gesichert sein.
– Gewiß, bestätigte Pencroff; zudem besteht die nördliche Küste auch nur aus kaum bemerkenswerthen Sandbänken.
– Ich wäre nicht böse darüber, fügte der Ingenieur hinzu, nicht nur die Nacht, sondern auch den folgenden Tag noch in jener Bai, die gewiß der aufmerksamsten Untersuchung werth ist, zuzubringen.
– Und ich glaube, erwiderte Pencroff, wir werden dazu gezwungen sein, ob wir nun wollen oder nicht, denn im Westen nimmt mir der Himmel ein zu bedrohliches Aussehen an. Sehen Sie nur, wie sich das Gewölk dort zusammen ballt!
– Jedenfalls begünstigt uns jetzt der Wind, um das Kiefern-Cap zu erreichen, bemerkte der Reporter.
– Jetzt ganz ausnehmend, antwortete der Seemann, doch um in den Golf einzulaufen, werden wir laviren müssen, und in jenem mir gänzlich unbekannten Wasser hätte ich gern noch volles Tageslicht.
– Ja, das Wasser dort mag wohl reich an Klippen sein, fügte Harbert hinzu, wenn man nach dem urtheilt, was wir auf der Südseite des Haifisch-Golfs gesehen haben.
– Sie werden Ihr Bestes thun, Pencroff, fiel Cyrus Smith ein, wir vertrauen ganz auf Sie!
– Seien Sie ruhig, Herr Cyrus, antwortete der Seemann, ich werde mich nicht unnöthig einer Gefahr aussetzen! Lieber einen Messerstich in’s eigene lebende Fleisch, als einen Felsenstoß gegen das meines Bonadventure!«
Unter dem lebenden Fleisch des Schiffes verstand Pencroff den im Wasser gehenden Theil seines Rumpfes, und den hütete Pencroff mehr als die eigene
Weitere Kostenlose Bücher