Die geheimnißvolle Insel
schnell in die Pirogue, um Alles, was dort umher trieb, am Ufer der Insel oder des Eilandes zu bergen.
Schon wollten sie abstoßen, als eine Bemerkung Gedeon Spilett’s sie noch einen Augenblick zurückhielt.
»Und was wird mit den sechs Verbrechern, die das rechte Ufer der Mercy erstiegen haben?« sagte er.
In der That konnte man jene sechs Mann, welche nach dem Untergange ihres Bootes sich nach der Seetriftspitze zu gewendet hatten, nicht unbeachtet lassen.
Alle spähten nach der bezeichneten Gegend. Kein Flüchtling war sichtbar. Wahrscheinlich entwichen sie, als sie die Zertrümmerung der Brigg im Canal gewahr wurden, mehr in’s Innere der Insel.
»Mit ihnen werden wir uns später beschäftigen, sagte endlich Cyrus Smith. Wohl können sie durch ihre Waffen noch gefährlich werden, indessen Sechs gegen Sechs – die Chancen sind gleich. Zunächst also an das Nothwendigste.«
Ayrton und Pencroff schifften sich ein und ruderten mit kräftigen Armen nach den umherschwimmenden Gegenständen.
Das Meer stand jetzt, und zwar, da seit zwei Tagen Neumond war, gerade sehr hoch. Es konnte demnach recht wohl eine gute Stunde vergehen, bevor der Rumpf der Brigg wieder aus dem Canal auftauchte.
Die beiden Seeleute hatten Zeit genug, Masten und Raaen mit einem Tau zu umwinden, dessen Enden nach dem Strande am Granithaus geführt waren. Dann sammelte die Pirogue noch ein, was einzeln umherschwamm, wie die Hühnerkäfige, Fässer und Kisten, und schaffte Alles nach den Kaminen.
Auch einige Leichname kamen jetzt zum Vorschein. Unter anderen erkannte Ayrton den Bob Harvey’s, den er seinem Gefährten zeigte und mit bewegter Stimme sagte:
»Das war ich früher, Pencroff!
– Aber Sie sind es nicht mehr, mein wackerer Ayrton!« antwortete der Seemann.
Es erschien sehr auffallend, daß nur so wenig Körper obenauf schwammen. Kaum zählte man fünf bis sechs, welche die eintretende Ebbe nach dem offenen Meere hinaus trieb. Jedenfalls hatten die Piraten, durch das Sinken des Schiffes überrascht, keine Zeit gehabt, zu entfliehen, und da sich das Fahrzeug auf die Seite legte, mochte der größere Theil in den Verschanzungen ertrunken sein. Uebrigens ersparte das zurückweichende Wasser, das die Leichen der Schurken mit wegspülte, den Colonisten die traurige Arbeit, diese in einem Winkel ihrer Insel zu verscharren!
Zwei Stunden lang waren Cyrus Smith und seine Genossen beschäftigt, das Takelwerk auf den Strand zu ziehen und die noch ganz unversehrten Segel von ihren Raaen zu lösen und zu trocknen. Sie sprachen bei der angestrengten Arbeit zwar nur wenig, doch desto mehr Gedanken jagten sich in ihren Köpfen. Der Besitz dieser Brigg oder vielmehr alles dessen, was sie enthielt, war ein großes Glück für sie. Ein Schiff stellt ja in der That eine kleine Welt dar, und erhielt das Material der Ansiedlung heute einen sehr schätzenswerthen Zuwachs an nützlichen Gegenständen. Das war »im Großen« dasselbe, wie der Fund der Kiste an der Seetriftspitze.
»Uebrigens, dachte sich Pencroff, warum sollte es unmöglich sein, die Brigg selbst wieder flott zu machen? Hat sie nur einen Leck, so läßt sich dieser stopfen, und ein Schiff von drei-bis vierhundert Tonnen ist denn doch ein wahrer Riese gegen unseren Bonadventure! O, damit kann man weithin reisen! Reisen, wohin man will. Herr Cyrus, Ayrton und ich, wir werden die Sache näher untersuchen müssen! Sie lohnt ja der Mühe!«
Wenn die Brigg wirklich noch seetüchtig war, so vergrößerte sich damit die Aussicht der Colonisten, in ihr Vaterland zurückzukehren, außerordentlich. Zur Entscheidung dieser wichtigen Frage mußte man freilich erst den Tiefstand des Meeres abwarten, um den Rumpf der Brigg in allen Theilen untersuchen zu können.
Nachdem Alles, was von dem Schiffe umherschwamm, geborgen war, gönnten Cyrus Smith und seine Genossen sich einige Minuten zum Frühstücken, da sie buchstäblich vor Hunger umkamen. Zum Glück lag ja die Speisekammer nicht entfernt, und Nab machte seiner Function als hurtiger Küchenmeister alle Ehre. So aß man gleich neben den Kaminen, und natürlich drehte sich das Gespräch während des Essens vorzüglich um das unerwartete Ereigniß, dem die Colonie ihre wunderbare Rettung verdankte.
»Wunderbar, ja, das ist das rechte Wort, wiederholte Pencroff, denn man muß ihnen nachsagen, daß jene Spitzbuben gerade zur richtigen Zeit in die Luft geflogen sind!
– Begreifen Sie, Pencroff, fragte der Reporter, wie das zugegangen ist, und
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