Die geheimnißvolle Insel
Zunge zu probiren schien.
Inzwischen stolzirten die Hühnervögel zwischen den Angeln umher, ohne diese sonderlich zu beachten. Pencroff zuckte ein wenig an den Schnuren, um die Würmer lebend erscheinen zu lassen.
Der Seemann war eigenthümlich erregt und zwar ganz anders, als gewöhnlich der Fischer, der seine schwimmende Beute nicht herankommen sieht.
Das Zucken erweckte bald die Aufmerksamkeit der Vögel, die nun an der Lockspeise anbissen. Drei Tetras stürzten sich gierig auf die Angeln. Da zog Pencroff seine Leinen an, und sofort verieth das Flattern mit den Flügeln, daß die Vögel gefangen waren.
»Hurrah!« rief er und stürzte auf seine Beute zu, deren er sich bald sicher bemächtigte.
Harbert klatschte in die Hände; zum ersten Male sah er hier Vögel mit der Angelleine fangen, doch der bescheidene Seemann versicherte ihm, daß das weder sein erster Versuch, noch daß er der Erfinder dieses Verfahrens sei.
»In unserer Lage, fügte er hinzu, werden wir noch manches Andere erfinden müssen.«
Die Tetras wurden an den Füßen aufgehängt, und erfreut, nicht mit leeren Händen zurück zu kommen, hielt es Pencroff an der Zeit, sich auf den Heimweg zu begeben, da der Tag schon zu sinken anfing.
Ueber den einzuschlagenden Weg konnte kein Zweifel aufkommen, da man nur dem Flusse nachzugehen brauchte, und so gelangten die Jäger, ermüdet von ihrem Ausfluge, gegen sechs Uhr wieder nach den Kaminen.
Fußnoten
1 Berühmter Autor eines Buchs über die Angelfischerei.
Siebentes Capitel.
Nab ist noch nicht zurück. – Betrachtungen des Reporters. – Das Abendbrod. – Eine drohende, schlechte Nacht. – Der Sturm ist entsetzlich. – Aufbruch in der Nacht. – Kampf gegen Regen und Wind. – Acht Meilen von der ersten Niederlassung.
Gedeon Spilett stand unbeweglich, mit gekreuzten Armen am Strande und betrachtete das Meer, dessen Horizont im Osten mit einer schwarzen Wolke zusammen floß, die rasch nach dem Zenith hinauszog. Schon wehte ein scharfer Wind, der mit dem sinkenden Tage noch auffrischte. Der ganze Himmel bot einen drohenden Anblick, und deutlich machten sich die Vorzeichen eines nahenden Sturmes bemerkbar.
Harbert ging in die Kamine, und Pencroff wendete sich an den Reporter. Dieser war ganz in Gedanken versunken und sah ihn nicht kommen.
»Wir werden eine böse Nacht haben, Mr. Spilett! sagte der Seemann. Regen und Wind zum Vergnügen der Sturmvögel!«
Der Reporter drehte sich um, ward Pencroff gewahr und fragte diesen sogleich:
»In welcher Entfernung von der Küste traf Ihrer Meinung nach die Sturzsee, welche unseren Begleiter entführte, die Gondel?«
Der Seemann war auf diese Frage nicht vorbereitet. Er überlegte einen Augenblick und sagte:
»Höchstens zwei Kabellängen.
– Wieviel beträgt aber eine solche? fragte Gedeon Spilett.
»Hurrah!« (S. 62.)
– Etwa hundert Faden, oder sechshundert Fuß.
– Demnach wäre Cyrus Smith zwölfhundert Fuß vom Ufer weggerissen worden?
– Ungefähr so viel, antwortete Pencroff.
– Und sein Hund auch?
– Dieser auch.
– Was mich verwundert, fügte der Reporter hinzu, ist, daß, selbst bei der Annahme des Todes unseres Freundes, Top auch umgekommen sein sollte, und daß weder der Körper des Herrn, noch der des Hundes aus Ufer gespült worden ist!
– Das ist bei so schwerem Wellengange gar nicht zu bewundern, entgegnete der Seemann. Uebrigens können ihn die Strömungen wohl weit an der Küste hingetrieben haben.
– Ihre Ansicht ist also, daß unser Begleiter in den Wellen sein Leben verloren habe? fragte der Reporter noch einmal.
– Meine Ansicht ist es.
– Die meinige dagegen, sagte Gedeon Spilett, ohne Ihrer Meinung zu nahe treten zu wollen, geht dahin, daß mir das Verschwinden Beider, Cyrus’ und Top’s, etwas Unerklärliches und Unwahrscheinliches hat.
– Ich würde diese Ansicht gern theilen, Mr. Spilett, erwiderte Pencroff. Unglücklicherweise steht meine Ueberzeugung fest.«
Mit diesen Worten kehrte auch der Seemann nach den Kaminen zurück. Auf dem Herde loderte ein tüchtiges Feuer.
Auf der Sturmwacht. (S. 68.)
Harbert hatte eben einen Arm voll trockenen Holzes nachgelegt, und hell leuchtete die Flamme bis in alle Pencroff ging sofort daran, das Mittagsbrod zuzurichten. Es schien ihm passend, den Speisezettel mit einer kräftigen Kost zu vermehren, denn Alle bedurften dringend der Stärkung ihrer Kräfte. Die angereihten Kurukus wurden für den anderen Tag aufgehoben; dafür rupfte
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