Die geheimnißvolle Insel
Eigenthümlichkeit auf ihre Lage in der südlichen Hemisphäre zurück führen, welche, wie Du weißt, kälter ist als die nördliche.
– Richtig, sagte Harbert; auch auf Eisberge stößt man im südlichen Großen Oceane unter niedrigeren Breiten als im nördlichen.
– Das ist wahr, fügte Pencroff hinzu, und als ich früher Wallfischfänger war, habe ich Eisberge noch in der Nähe des Cap Horn gesehen.
– Dann wäre also, meinte Gedeon Spilett, die strenge Kälte auf der Insel Lincoln vielleicht durch das Vorhandensein von Eisbergen oder Treibeis in unvermutheter Nähe zu erklären.
– Ihre Ansicht hat Vieles für sich, lieber Spilett, antwortete Cyrus Smith, offenbar verdanken wir unsere strengen Winter der Nähe von Treibeis. Ich mache Sie hier auch noch auf eine rein physikalische Ursache aufmerksam, nach welcher die südliche Hemisphäre kälter sein muß, als die nördliche. Da sich die Sonne dieser Halbkugel im Sommer mehr nähert, steht sie im Winter nothwendig von ihr entfernter. Hieraus erklären sich die Excesse der Temperatur nach beiden Richtungen, und wenn wir auf der Insel Lincoln sehr kalte Winter beobachten, so wollen wir nicht außer Acht lassen, daß die Sommer hier sehr heiß sind.
– Warum aber, Herr Cyrus, fragte Pencroff stirnrunzelnd, warum hat unsre Halbkugel, wie Sie sagen, den schlechteren Theil bekommen? Das ist nicht gerecht!
– Freund Pencroff, erwiderte der Ingenieur, gerecht oder nicht, es ist eben so und wir müssen uns ruhig fügen. Die Sache liegt nämlich folgendermaßen: Die Erde beschreibt um die Sonne nicht einen Kreis, sondern eine Ellipse, und das nach den Gesetzen der Himmelsmechanik. Die Erde steht nun in dem einen Brennpunkte derselben und ist zu der einen Zeit ihres Umlaufes, dem sogenannten Apogäum, nothwendig entfernter von der Sonne; zur andern Zeit, dem sogenannten Perigäum, ihr aber näher. Nun findet man, daß ihre größte Entfernung mit dem Winter der südlichen Halbkugel zusammenfällt, womit also die Bedingungen einer größeren Kälte dieser Theile erfüllt sind. Dagegen, lieber Pencroff, ist nichts zu thun, und die Menschen, wenn sie auch noch so weit fortschritten, werden darin niemals eine Aenderung herbeiführen, welche nur durch die kosmographische Ordnung Gottes eintreten kann.
– Und doch, fügte Pencroff hinzu, der sich nur schwierig zufrieden gab, die Menschheit ist so weise! Welch’ großes Buch könnte man anfüllen mit alle dem, was man weiß!
– Aber welch größeres mit dem, was man nicht weiß«, antwortete Cyrus Smith.
Aus einem oder dem anderen Grunde brachte der Juni seine Kälte von gewohnter Strenge, und die Colonisten blieben vorwiegend auf das Granithaus angewiesen.
Wie hart kam diese Einsperrung Allen an, vorzüglich aber Gedeon Spilett.
»Siehst Du, begann er einmal gegen Nab, ich verschriebe Dir notariell all’ mein später mir zufallendes Erbe, wenn Du irgend wohin gingst und abonnirtest für mich auf ein ganz beliebiges Journal! An meinem vollen Glücke fehlt mir jetzt nichts, als jeden Morgen zu wissen, was sich Tags vorher in der Welt begeben hat.«
Nab fing an zu lachen.
»Meiner Treu, antwortete Nab, ich habe mit der täglichen Arbeit genug zu thun!«
Wirklich fehlte es weder in, noch außer dem Hause an Beschäftigung.
Die Colonie der Insel Lincoln erfreute sich jetzt des blühendsten Gedeihens, eine Folge dreijähriger unausgesetzter Arbeit. Der Vorfall mit der Zerstörung der Brigg war eine neue Quelle von Reichthümern geworden. Ohne von der vollständigen Takelage zu sprechen, welche nun dem Schiff auf der Werft zu gute kam, füllten jetzt Geräthe und Werkzeuge jeder Art, Waffen und Munitionen, Kleidungsstücke und Instrumente die Magazine des Granithauses. Jetzt hatte man nicht mehr nöthig, selbst an die Herstellung des früheren groben Filzstoffes zu gehen.
»Siehst Du«, begann er einmal gegen Nab … (S. 639.)
Hatten die Colonisten während des ersten Winters empfindlich von der Kälte zu leiden, so konnten sie nun dem Eintritt der schlechten Jahreszeit mit größter Ruhe entgegensehen. Leibwäsche war im Ueberfluß vorhanden und man behandelte sie auch mit größter Sorgfalt. Aus dem Chlornatrium, dem Hauptbestandtheil des Seesalzes, gewann Cyrus Smith die beiden Bestandtheile, deren einer in kohlensaures Natron (Soda), der andere in Chlorkalk übergeführt wurde.
Eine Veränderung am Gipfel des Franklin. (S. 643.)
Beide dienten zu verschiedenen häuslichen Zwecken,
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