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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
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dem Erdboden näherten. »Ich will Ihren Arsch so schnell wie möglich hier raushaben.«
    Corso ließ den Sicherheitsgurt aufschnappen und packte den Türgriff. Direkt vor dem Hubschrauber taumelte der Wachmann außer Reichweite der Rotorblätter und versuchte, sein Gesicht vor dem aufwirbelnden Wüstensand zu schützen, der die Luft erfüllte.
    »Passen Sie auf Ihren Kopf auf!«, brüllte Arnie.
    Corso salutierte ihm mit zwei Fingern, drückte die Tür mit der Schulter auf und ließ sich den letzten Meter bis zum Boden fallen. Er hielt sich seine Jacke vors Gesicht, während er sich tief unter den wirbelnden Rotoren duckte.
    Im Cockpit beugte Arnie sich zur Seite und zog die Tür zu, dann ließ er den Helikopter wieder in den nächtlichen Himmel steigen. »Verrücktes Arschloch«, murmelte er leise.
    Unten auf dem Boden wurde der verklingende Lärm des Motors vom stetigen Herabrieseln des Wüstensandes begleitet. Einen Augenblick später richteten sich sowohl der Wachmann als auch Corso wieder auf und schauten sich blinzelnd um.
    Er war jung. Noch keine dreißig. Mager, mit einem ungebändigten roten Haarschopf. Und irgendwann musste er geweint haben. Ihm lief die Nase, und von seinen Augen zogen sich zwei verräterische Spuren durch den feinen Wüstenstaub, der sich auf sein Gesicht gelegt hatte, so dass sein verängstigtes Gesicht etwas von einem Clown hatte.
    Corso fragte sich, was einen Mann, der noch sein ganzes Leben vor sich hatte, dazu trieb, seine Tage mit dem Abschaum der Menschheit zusammen eingesperrt zu verbringen. Ob er ein Sadist war oder ein Gutmensch oder irgendetwas dazwischen oder vielleicht einfach nur ein Mann, der dringend einen Job brauchte.
    Die Luft war kalt und frisch. Als der Lärm des Hubschraubers verklang, hörte Corso Schreie vom Außenzaun herüberdringen. Er musterte den Bereich, bis sein Blick an einem Punkt nördlich des Haupttores hängen blieb, wo ein Fernsehteam ihm heftig zuwinkte und das lidlose Auge einer Kamera auf ihn richtete. Er wandte den Kopf ab.
    Das etwa vierzig Meter entfernte Haus musste der Verwaltungstrakt sein. Ein imposantes dreistöckiges Backsteingebäude, das in der Mitte von einem Rundbogen in zwei Hälften geteilt wurde. In der Schwärze der gähnenden Öffnung flackerte ein Flämmchen auf, lange genug, damit jemand sich eine Zigarette anzünden konnte.
    Das Scharren von Schuhen lenkte Corso ab. Der Wachmann hatte ein kleines bisschen Mut zusammengerafft und erwog, die Flucht zu ergreifen. Corso schüttelte den Kopf.
    »Würde ich nicht machen«, sagte er. »Sie schaffen es niemals bis zum Zaun.«
    Der Wachmann öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch es kam nichts heraus. »Ich …«, stammelte er.
    »Bleiben Sie hinter mir«, wies ihn Corso an, als er sich umdrehte und auf das Verwaltungsgebäude zuging. Nach einem Drittel des Weges blieb er plötzlich stehen. Der Wachmann lief von hinten in ihn hinein. »Nicht ganz so dicht, Junge«, wies Corso ihn an, drehte sich wieder um und ging weiter.
    Aus zwanzig Meter Entfernung konnte Corso die Umrisse von drei Personen im dunklen Schatten des Rundbogens ausmachen. Er korrigierte seinen Kurs und hielt auf die Mitte des Schattens zu. Noch ein Dutzend Schritte und er konnte Tim Driver auf der rechten Seite stehen sehen, der mit locker herabhängenden Armen schweigend zusah, wie Corso und der Wachmann näher kamen.
    Rechts von Driver zielte ein langhaariger Sträfling mit einem Sturmgewehr direkt auf Corsos Brust. Ein Auge drückte er ans Visier, das andere kniff er zu. Corso verlängerte seine Schritte. Unter der gähnenden Mündung schlich sich ein dünnes Lächeln auf die Lippen des Mannes. Corso sah zu, wie sein Finger sich um den Abzug krümmte. Seine Kehle schnürte sich zu; er bekam kaum noch Luft in jenen letzten Sekunden, ehe Driver den Gewehrlauf zur Seite schob und eine dreischüssige Salve in die Nacht peitschte. Die Hand immer noch am Gewehrlauf, sagte Driver: »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie kommen.«
    Der Mann mit dem Gewehr knurrte wütend und riss Driver den Lauf aus der Hand. Er war ungefähr eins achtzig groß, mit vollem, schulterlangem Haar, das sein schmales, kantiges Gesicht umrahmte. Er sah aus wie einer von den Typen, die man am Strand betteln sieht. Mit Ausnahme der Augen. Corso hatte schon früher solche Augen gesehen. Bei haitianischen Geheimpolizisten, kurdischen Rebellen in Afghanistan, und hin und wieder auf dem Discovery Channel, in Dokumentarfilmen über Haie. Die Sorte Augen,

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