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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
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wie die Lemminge.«
    Sie waren jetzt unten angekommen. Driver stieß eine Tür auf, und plötzlich fanden sie sich in der modernen Ausgabe eines Heizungsraums wieder. Allerdings ohne Heizkessel. Alles war voll elektronischer Messgeräte und digitaler Anzeigen. Corso brauchte weniger als eine halbe Minute, um zu erkennen, dass Driver schon früher hier unten gewesen sein musste. Was immer er mit der Anlage machte, er hatte das schon bei einem früheren Besuch ausgetüftelt. Er sah zu, wie Driver an den Anzeigen und Messgeräten herumhantierte. Sah, wie er den großen Kaugummiklumpen aus dem Mund nahm, in das Bedienfeld am Fuß einer Heizungsanlage hineingriff und den Kaugummi dort festklebte. Was es da sollte, entzog sich Corsos Verständnis.
    Driver machte sich nicht die Mühe, die Tür wieder zu schließen. Stattdessen ging er auf die andere Seite des Raumes, zu einem zerschrammten Tisch, wo er einen Telefonhörer abnahm und ihn vorsichtig auf die Seite legte. Corso trat näher. Beobachtete, wie Driver das Mundstück abschraubte und die Drähte zu lösen begann. Es war zu dunkel, als dass Corso genau hätte erkennen können, was Driver da machte. Er konnte nur sehen, dass er die verschiedenfarbigen Drähte anders wieder zusammendrehte, als es ursprünglich von den Konstrukteuren des Telefons vorgesehen war.
    Zufrieden mit seiner Arbeit, schraubte Driver den Deckel wieder auf und legte den Hörer auf die Gabel. Corso folgte ihm, als er zu denselben Anzeigen und Messgeräten zurückkehrte, an denen er sich eben zu schaffen gemacht hatte. Er hatte erst ein paar Knöpfe gedrückt, als das Zischen einsetzte. Tief und eindringlich, wie Zugluft, die durch einen Türspalt dringt.
    Und dann kamen dieser Geruch nach faulen Eiern und die ersten Ansätze eines schmerzhaften Brennens in den Lungen. Gas. Kein Zweifel. Erdgas strömte in gewaltiger Menge aus der Heizungsanlage, füllte den Raum, ließ Corsos Augen tränen und seine Lunge krampfen.
    Corso hielt sich seine Jacke vor die Nase, stand mit zusammengekniffenen Augen da und atmete seinen eigenen Körpergeruch ein, während sich das Gas um ihn schloss. Driver nahm ihn beim Ellbogen und führte ihn zum Treppenhaus zurück. Er schloss die Kellertür hinter ihnen und zog Corso die Treppen hinauf, bis sie im Erdgeschoss ankamen und aus dem Gebäude hinaustraten. Keuchend standen sie da und rieben sich die Augen, bis das Brummen eines Dieselmotors sie aus ihrer Lethargie riss.
    Kehoe lenkte einen Tanklastzug um die Ecke des Zellenblocks. Driver hob die Hand und begann ihn vorwärtszuwinken. Weiter, weiter, bis er schließlich die Hand hochhielt und ihn mit einer Halsabschneidegeste anwies, den riesigen Laster anzuhalten. Kehoe stellte den Motor ab und kletterte heraus. Der Tanklaster blieb zischend in der Dunkelheit zurück. »Ich weiß ja nicht, was du vorhast, Captainman, aber es sollte lieber verdammt bald passieren. Die Jungs da draußen sehen aus, als wären sie drauf und dran loszulegen.«
    Statt zu antworten zog Driver einen der Füllstutzen aus der Halterung an der Seite des Tankwagens, schlug mit dem metallenen Ende das Fenster in der oberen Hälfte der Hintertür des Verwaltungsgebäudes ein und schob den größten Teil des Schlauchs hindurch. »Steh nicht so da, Cutter«, sagte er. »Schalt das verdammte Ding ein. Wir müssen gut zwei Drittel aus dem ersten Tank rauspumpen.«
    Kehoes Augen wurden schmal. »Einfach so da rein?«
    »Ganz genau.«
    Kehoe rührte sich nicht. Seine Miene war wie versteinert. »Weißt du, Doc … Irgendwann die Tage müssen wir noch mal drüber reden, wie du mich hier rumkommandierst.« Sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Aber in der Zwischenzeit gefällt's mir, wie du tickst.«

13
    In den Stunden, seit Paul Lovantano aus dem Führerhaus seines Lasters gezerrt und zusammen mit einem halben Dutzend anderer Lkw-Fahrer in einer Gefängniszelle eingeschlossen worden war, war er zu der Überzeugung gekommen, dass sein Leben vollkommen anders verlaufen wäre, wäre ihm schon während seiner prägenden Entwicklungsjahre eine solche Behandlung zuteilgeworden. Im Angesicht des drohenden Todes und mit etwas Zeit zum Nachdenken war ihm klar geworden, was er war und wie es dazu gekommen war, dass er am Arsch der Welt in Arizona einen Tanklaster fuhr, und das ausgerechnet an dem Tag, an dem eine Gefängnisrevolte stattfinden sollte. Nicht zufällig war er auch zu der Erkenntnis gelangt, dass er es tatsächlich geschafft hatte,

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