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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
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machen, dann wär sie vielleicht bei uns geblieben, weißt du.«
    Sein stählerner Blick schien ein Loch direkt durch ihren Schädel zu bohren. Beinahe gegen ihren Willen fing sie wieder an zu reden: »Weißt du, wie in so 'ner Kurzgeschichte, die ich mal in der Highschool gelesen habe, wo die so was wie 'ne Zeitmaschine hatten. Und diese weißen Jägertypen, die hatten 'ne Menge dafür bezahlt, in der Dinosaurierzeit auf 'ne Safari zu gehen. Die einzige Bedingung war, dass sie total aufpassen mussten, nichts anzufassen, solange sie in der Vergangenheit waren, weil, dann, weißt du, dann hätten die alles durcheinandergebracht.« Sie wurde lebhafter und unterstrich ihre Worte mit ausladenden Armbewegungen. »Und einer von denen ist aus Versehen auf einen Schmetterling getreten – bloß ein winziger Schmetterling –, und als sie zurückkommen, ist alles anders … Andere Regierung … Einfach alles anders … Alles nur wegen einem einzigen kleinen Schmetterling, auf den einer in der Vergangenheit drauf getreten ist.«
    Er schaute sie jetzt an. Sein Blick war leer und gnadenlos.
    »Weißt du, wovon ich rede?«, fragte sie. »Ich rede hier von Verlassensängsten.«
    »Du kannst dich dem Fluss nicht entgegenstellen«, sagte er mit leiser Stimme. »Der Fluss fließt weiter, ob mit dir oder ohne dich. Es ist ihm egal. Er ist einfach nur ein Fluss.«
    »Keine Flüsse, Mann … Schmetterlinge.«
    »Das ist dasselbe«, erklärte er. »Alles kehrt dahin zurück, wo es hergekommen ist. Manche schaffen es bis ganz zurück in den Ozean. Andere bleiben auf der Strecke.«
    Sie sprang auf und stampfte mit dem Fuß auf. Die heftige Bewegung ließ das Handtuch zu Boden fallen. Sie fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Dann sah sie, wie ein Hauch Begehren über sein Gesicht huschte. Sie straffte die Schultern und machte einen Schritt nach vorn. Schob ihm beinahe ihr Schambein ins Gesicht. »Du kannst mich doch nicht einfach hierlassen«, bettelte sie mit ihrer besten Kleinmädchenstimme. »Ich weiß ja nicht mal, wo wir sind.« Sie schob sich noch weiter vor. »Ich könnte's dir schön machen«, flüsterte sie. »Wirklich, ich …« Einen Augenblick lang sah es aus, als wollte er die Hand nach ihr ausstrecken. Als würde er einen Kuss mitten in ihr Schamhaar drücken. Sie schauderte bei dem Gedanken. Stattdessen hob er das Handtuch vom Boden auf.
    »Zieh dir was an«, sagte er.

34
    Melanie Harris sah noch einmal in den Seitenspiegel und lächelte. Seit sie vor einer halben Stunde Scottsdale verlassen hatten, war der burgunderrote Ford Taurus immer drei oder vier Autos hinter ihnen geblieben. Jetzt hatte er den Blinker gesetzt. Sie sah im Spiegel, wie sie die Ausfahrt hinauffuhren, ein paarmal links abbogen und dann den Weg zurück nahmen, den sie gekommen waren.
    »Sieht aus, als hätten Sie recht gehabt«, bemerkte sie. »Unsere Freunde vom FBI haben anscheinend genug von unserer Gesellschaft.«
    Corso hockte hinten im Wagen auf dem Fußboden. Er hatte seine schwarze Lederjacke ausgezogen und lehnte mit dem Rücken an der Badezimmertür, ein langes Bein angewinkelt, das andere auf dem Boden ausgestreckt. Sie sah zu, wie er aufstand, ließ ihren Blick zwischen dem Rückspiegel und der Straße hin- und herspringen, während er nach vorn zum Beifahrersitz kam, ihn ganz weit zurückschob, um Platz für seine Beine zu schaffen, und sich dann setzte. »Sechs-Stunden-Fahrten quer durch die Wüste stehen nicht in der Arbeitsplatzbeschreibung des FBI«, sagte er.
    »In meiner normalerweise auch nicht.«
    »Aber für eine gute Story …« Er ließ die Worte in der Luft hängen.
    »Weder Regen, noch Schnee, noch dunkle Nacht …«
    Die Wolken von gestern hatten sich zerstreut und einen Himmel zurückgelassen, so azurblau, wie es ihn eigentlich nur in Arizona Highways zu sehen gab.
    »Wollen Sie irgendwas?«, fragte sie.
    Er lächelte scheu. »Was?«
    »Wasser oder eine Cola?«
    »Nein danke.«
    Sie erwiderte sein Lächeln. »Wenn Sie Ihre Meinung ändern, bedienen Sie sich ruhig aus dem Kühlschrank.«
    »Danke.«
    »Also, dann erzählen Sie mir mal was über diesen Timothy Driver.«
    »Über welchen? Den, über den ich das Buch geschrieben habe, oder den, hinter dem jetzt alle her sind?«
    Sie überlegte. »Den, über den Sie das Buch geschrieben haben.«
    Corso berichtete ausführlich. Fünfzehn Minuten brauchte er, bis er alles gesagt hatte, was er noch über Drivers Vergangenheit wusste. Schließlich holte er tief Luft und

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