Die Geisel des Chinesen: Erotischer Roman (German Edition)
Hand an die Stirn.
„Wie dumm von mir! Ihr habt recht, Mr. Liu.“ Sie schenkte Fanning ihre Aufmerksamkeit. „Wenn Ihr uns entschuldigen würdet?“
Sie trat mit Cai vor die Tür und führte ihn wie beiläufig zur Treppe.
„Du musst die Gelegenheit nutzen und meine Familie suchen.“
„Wieso diese Eile? Hatten wir nicht vereinbart, das Haus erst nachts zu durchstöbern?“
Lizzie sah sich um, damit auch ja niemand in der Nähe war, der sie belauschen würde. „Mir ist eine Idee gekommen: Melly, meine Schwägerin, schrieb mir, dass sie Jennifer jeden Abend das Lied ,Plaisir d’Amour‘ vorsingt. Wenn sie das Lied hören, werden sie vielleicht wissen, dass Hilfe unterwegs ist und sich irgendwie bemerkbar machen.“
Cai zögerte.
Sie berührte ihn am Arm. „ Es ist von Vorteil, nicht in stockfinsterer Nacht durch das Haus zu huschen. Am Ende schießen uns ein ängstlicher Dienstbote oder Major Fanning nieder, weil sie uns für Einbrecher halten.“
„Dein Vorschlag ist recht vernünftig“, gab Cai zu.
Lizzie straffte sich. „Also tust du es?“
Er nickte. „Spiel du das Lied, ich sehe mich im Haus um.“
„Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Major Fanning. In seiner Hand hielt er einen Tumbler mit einer goldbraunen Flüssigkeit.
Lizzie nickte. „Aber ja, auf der Treppe erinnerte ich mich, dass ich den Schlüssel um den Hals trage. Mr. Liu kommt ohne mich zurecht.“
Desinteressiert schwenkte Fanning seinen Alkohol in dem Glas.
„Wenn Ihr unpässlich seid, zieht Euch ruhig zurück.“
„Auf keinen Fall! Wo Ihr so ein wundervolles Piano besitzt. Es wäre eine Schande, wenn ich Euch nicht angemessen unterhalte im Gegenzug für Eure Gastfreundschaft, mein lieber Major.“
Lizzie neigt ihren Kopf und sah begehrlich auf das Glas des Mannes. Er schien ihre stumme Bitte um ein Getränk misszuverstehen. Er schnupperte genießerisch an seinem Tumbler, ehe er nippte.
„Schottischer Whisky“, erklärte er.
Lizzie lächelte und kehrte auf die Klavierbank zurück.
„Kennt Ihr die Kompositionen von Jean Baptiste Egide?“, fragte Lizzie, während sie die ersten Takte anschlug.
„Nein, ich bedaure“, entgegnete er und trat an den Flügel.
„Eine Wissenslücke, die wir unbedingt schließen müssen“, sagte Lizzie freundlich. Das Lächeln lag kalt und falsch auf ihrem Gesicht. Viel lieber hätte sie den Mann zur Rede gestellt und verlangt, dass er ihr die Wahrheit gestand. Ob er tatsächlich hinter der Entführung steckte oder ob alles nur ein großes Missverständnis war?
Lizzies Finger glitten über die Tasten und begannen, die ersten Takte anzuschlagen. Die Melodie war ruhig und süß. Ein wenig Wehmut schwang darin mit. Sie sang; lauter, als sie es normalerweise getan hätte. Die Chance war vage. Ihr Bruder und seine Familie wussten nicht, dass sie sich in Hongkong aufhielt. Und Melly und Jennifer hatten sie niemals persönlich getroffen.
Major Fanning verzog genervt das Gesicht, als er glaubte, Lizzie sähe es nicht. Grimmig lächelnd verdoppelte Lizzie ihre Lautstärke.
Einem Impuls folgend stieg Cai die Treppen hinauf in den ersten Stock. Lizzies Klavierspiel und Gesang waren deutlich zu hören. An der Gabelung der Treppe wandte er sich nach rechts. Die Gang sah genauso aus wie auf der linken Seite. Lediglich die Motive der aufgehängten Gemälde waren andere, und die Türen befanden sich rechter Hand.
Lizzies Stimme folgte ihm, getragen vom Klavierspiel. Cai kannte das Stück. Es war recht beliebt in England und wurde demzufolge oft auf Soireen und Musikveranstaltungen dargeboten. Vorsichtig glitt Cai den Flur entlang. Der Boden unter seinen Füßen knarrte. Er hielt inne und lauschte. Von irgendwoher vernahm er ein dünnes Stimmchen. Ganz leise, kaum hörbar, wie das Echo eines Echos. Cai ging dem Flüstern bis vor die hinterste Tür des Ganges nach. Dahinter sang eine Kinderstimme „Plaisir d’Amour“.
Er legte seine Hand behutsam an die Klinke. Selbstverständlich war abgesperrt. Cai trat einen Schritt zurück und suchte mit den Augen nach einem Schlüssel oder einem möglichen Versteck für diesen. Von innen hörte er leise Schritte.
„Ist da jemand?“ Das Mädchen klang erschreckend jung und ängstlich.
„Bist du allein?“, fragte Cai nach einer kurzen Pause.
„Ja.“ Sie begann zu schluchzen.
Mitleid stieg in Cai auf. „Hör auf zu weinen. Ich befreie dich. Weißt du, wo ich einen Schlüssel finden kann?“
Das Kind schniefte.
„Keine Ahnung.“
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