Die Geisel des Chinesen: Erotischer Roman (German Edition)
Das Mädchen rüttelte an der Tür. „Ich glaube, er muss irgendwo im Flur sein. Die Frau, die das Essen bringt, schimpft, weil sie so schwer rankommt.“
Cai trat einen Schritt zurück. Nachdenklich ließ er den Blick schweifen. Wo konnte der Schlüssel sein, wenn man schlecht herankam? Er fixierte den Türrahmen, strich mit der Hand über den Sturz, ohne etwas zu entdecken. Er sah zu der Drachenstatue in der Nische und griff hinter das Fabelwesen. Unter dem Schwanz fand er den Schlüssel.
Mühelos ließ sich die Tür öffnen, und im nächsten Moment sah Cai sich einer kleinen rothaarigen Europäerin gegenüber, die ein weißes, zerknittertes Rüschenkleid trug. Sie mochte kaum älter als acht Jahre alt sein. Zorn wollte in ihm aufsteigen. Wer konnte so herzlos sein und einem kleinen Kind wie diesem solche Angst einjagen? Ihre Züge erinnerten Cai auf frappierende Weise an Lizzie, und sofort wusste er, dass er dieses Kind mit seinem Leben beschützen würde.
Er streckte die Arme nach ihr aus. „Komm, ich bringe dich von hier fort.“
Die Kleine sah sich suchend um.
„Weißt du, wo deine Eltern sind?“
„Wer bist du?“, fragte sie und musterte ihn aufmerksam. „Warum sprichst du Englisch? Du bist kein Engländer!“
Cai ging auf die Knie.
Aus dem Erdgeschoss drang Lizzies Stimme herauf, die unbeirrt „Plaisir d’Amour“ zum Besten gab.
„Mein Name ist Chiao-Ho Cai, ich bin ein … der Verlobte deiner Tante Lizzie.“
Misstrauisch beäugte das Mädchen ihn. „Dann weißt du, wie Tante Lizzies Lieblingspferd heißt.“
Cai schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass dein Vater und Lizzie Zwillinge sind.“
Das Mädchen blinzelte und näherte sich Cai. Sie ließ sich auf den Arm nehmen. Cai trug sie den Gang hinunter.
„Der böse Mann hat Mama gestern weggebracht. Er hat zu den Männern gesagt, sie sollen sie zu Papa bringen und warten, bis er kommt.“
Ein Schauer überlief Cai. Er glaubte nicht, dass die beiden noch lebten, wenn er ihr Versteck fand. Falls Major Fanning den Ort überhaupt verriet. Cai brachte Jennifer in Lizzies Gemach und ging mit einer Lampe ans Fenster, die er einige Male schwenkte, ehe er sie auf dem Fensterbrett stehen ließ.
Er wandte sich dem kleinen Mädchen zu.
„Meinst du, dass du allein bleiben kannst? Ich möchte deiner Tante sagen, dass ich dich gefunden habe. Wir müssen zusehen, dass wir dich in Sicherheit bringen.“
Jennifer nickte, und ihre Unterlippe zitterte.
„Du bist in Sicherheit.“ Cai berührte tröstend ihre Schulter.
Das Mädchen nickte erneut.
„Vielen Dank, Sir!“ Ihre Stimme klang wie das Piepsen eines Mäuschens.
Cai hockte sich, sodass er sich auf Augenhöhe mit der Kleinen fand.
„Falls jemand kommen sollte, versteckst du dich, in Ordnung?“
Jennifer bejahte.
An der Tür warf Cai einen Blick auf das Kind. Sie stand verloren in der Mitte des Raumes. Sie gab keinen Laut von sich, doch ihre Wangen glänzten nass.
Major Fanning begegnete Cai auf der Treppe.
„Major.“
„Mr. Liu.“ Der Mann nickte Cai zu. „Mrs. Reardon befindet sich noch im Salon.“
Cai ging hinunter und fand Lizzie am Piano, wo sie ihre Finger über die Tasten sausen ließ. Sie sah auf, als Cai neben sie trat.
„Ich habe Jennifer“, erklärte er.
Lizzie stieß Luft aus.
„Dem Himmel sei Dank!“ Sie sprang auf und schloss den Klavierdeckel. „Was ist mit Jake? Und seiner Frau?“
„Laut Jennifer wurden sie fortgebracht.“
Alarmiert starrte Lizzie Cai an und berührte seinen Arm.
„Wohin? Weiß sie das?“
Cai schüttelte den Kopf. „Ich habe Colonel Montgomery und seinen Leuten das Signal gegeben. Fanning wird reden. Wir finden deinen Bruder und seine Frau. Ich schwöre es dir.“
Die beiden kehrten in Lizzies Schlafgemach zurück.
Lizzies Herzschlag wechselte zwischen Hämmern, Aussetzern und behutsamem Pochen. Der Raum wirkte hoffnungslos leer. Keine Spur eines Kindes.
„Wo ist sie?“ Irritiert blickte Lizzie sich um.
Kurz stieg Übelkeit in ihr auf. Was, wenn Fanning Jennifer entdeckt hatte?
„Jennifer? Du kannst herauskommen.“ Cais Stimme klang sanft wie in jener Nacht, als er und Lizzie sich das erste Mal geliebt hatten.
Langsam schob sich das schmale Mädchen unter dem Bett hervor. Sie knickste und starrte Lizzie aus großen, blauen Augen an. Das Kind trug eines dieser Kleinmädchenkleider, die so übertrieben mit Rüschen verziert waren, dass die zarten Kinderkörper fast darin
Weitere Kostenlose Bücher