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Die Geisel von Zir

Titel: Die Geisel von Zir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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er ja zusammenbekommen; aber er bezweifelte, dass er in der Lage sein würde, sie alle zu besorgen.
     
    Tage vergingen. Nachtsüber kam Fergus seinen schweißtreibenden Pflichten in Shostis Bett nach. Tagsüber erkundete er jeden Winkel von Senarze, eingeschlossen die Wendeltreppe, die zu einem unterirdischen Teich hinunterführte. Diese Treppe, die unter enormen Anstrengungen durch massiven Fels getrieben war, hatte in erster Linie zum Zweck, bei Belagerungen die Wasserversorgung sicherzustellen.
    Er inspizierte den großen Gong über dem Stadttor, mit dem beim Herannahen des Feindes oder bei sonstigen wichtigen Ereignissen die Bevölkerung alarmiert wurde. Er nahm an Gottesdiensten im Tempel teil. Er freundete sich mit Hauptmann Parang an und spielte mit ihm Piza, um die Zeit totzuschlagen. Er. hielt sich mit gymnastischen Übungen fit.
    Seine Anwesenheit bei den Gottesdiensten verursachte einige Aufregung. Shosti bestand darauf, dass er nicht inmitten der Gläubigerschar saß, sondern vor dem Altar, Auge in Auge mit ihnen, auf einem vergoldeten Thronsessel. Der Thronsessel, der zuvor jahrelang ein staubiges Schattendasein im hintersten Winkel einer Rumpelkammer gefristet hatte, war auf Geheiß der Hexe von Zir eigens für Reith hervorgeholt und auf Hochglanz gewienert worden.
    Als nächstes wandelte Shosti den Gottesdienst dahingehend ab, dass die Gläubigen ihre Gebete und Lobpreisungen direkt an Reith richten mussten. Nachdem er eine Woche lang tagtäglich zu hören bekommen hatte, wie gerecht, wie unsterblich, wie heldenhaft, gnädig, allwissend, allmächtig, gütig und fehlerlos er doch sei, kam er zu der Erkenntnis, dass es tödlich langweilig war, als Gott verehrt zu werden, sobald der Reiz des Neuen erst verflogen war. Eine weniger gefestigte Persönlichkeit, dachte er, würde sicher Gefahr laufen, diesen ganzen Blödsinn ernst zu nehmen. Er fragte sich, ob er nicht besser daran getan hätte, seine Göttlichkeit gleich am Anfang standhaft zu bestreiten; aber hinterher war man immer klüger als vorher.
    Nach dem dritten Tag überredete Reith Shosti, den Thronsessel so platzieren zu lassen, dass die Gläubigen sein Profil betrachten konnten. Auf diese Weise hatte er die Möglichkeit, unauffällig die Mosaiklandkarte zu studieren, was schlechterdings nicht möglich war, wenn er mit dem Rücken zu ihr saß.
    Die Karte zeigte zu viele Details, als dass er sie sich alle auf einmal hätte einprägen können. Sobald er wieder allein in seinem Gemach war, fertigte er sich flugs auf einem Blatt krishnanischen Papiers eine grobe Bleistiftskizze nach dem Gedächtnis an. Von nun an benutzte er jeden Gottesdienst dazu, sich soviel wie möglich von der Karte einzuprägen; sobald der Gottesdienst zu Ende war, eilte er zurück in sein Gemach und vervollkommnte die Zeichnung. Nach zahlreichen Verbesserungen, Änderungen und Korrekturen entsprach seine Karte dem Original so weit, dass sie ihm für seine Zwecke ausreichend schien.
    Das nächste Problem war die Beschaffung eines Seils. Eine Seilerei schien in Senarze offenbar nicht zu existieren. Alles was es an Seil in der Stadt gab, war von außerhalb herangeschafft worden. In einem Seehafen würde es jede Menge Seil geben; aber Senarze war nun einmal kein Seehafen, und das bisschen Seil, das es gab, war schon anderweitig in Gebrauch. Und davon ein genügend langes Stück zu stehlen – zum Beispiel das, welches in den Windmühlen als Treibriemen diente –, war auch nicht so einfach, wenn man den ganzen Tag von zwei Soldaten auf Schritt und Tritt begleitet wurde.
    Während er in seinem Zimmer saß und diesen Gedanken nachhing, fiel sein Blick auf die Klingelstrippe. Er sprang auf und schlug sich die Hand vor die Stirn. Dass ihm der Gedanke nicht schon eher gekommen war!
    Er zog an der Strippe, und gleich darauf kam eine seiner Kammerjungfern herein. Es war Gháshmi, die nur Ziro sprach. Inzwischen hatte er den Dialekt jedoch so weit im Griff, dass er sich verständlich machen konnte. Er sagte: »Ich bin neugierig, Gháshmi. Wohin führt dieses Seil? Ich weiß, dass es durch Röhren verläuft und in einem anderen Teil des Tempels endet, wo dann eine Glocke ertönt.«
    »Will Eure Göttlichkeit uns mit einem Besuch in der Zofenkammer beehren?«
    »Ja, meine liebe Sterbliche, das will ich gewiss. Führ mich hin.«
    Das im Keller gelegene Quartier der Kammerzofen war weit weniger geräumig und komfortabel als sein eigenes. Die Mädchen mussten sich in winzige Doppelbetten

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