Die Geisel von Zir
Drohung Nachdruck zu verleihen, verstärkte er den Druck ein wenig.
Murrend gehorchte der Mahout. Considine, der hinter Reith stand, schrie: »He, Furchtloser, wieso hältst du an? Die schnappen uns doch, du verdammter Idiot! Willst du uns schon wieder …« Der Rest ging in einem gewaltigen Donnerschlag unter.
»Halt’s Maul!« brüllte Reith. Wie ein Wilder fuchtelte er mit den Armen in der Dunkelheit und rief nach hinten: »Percy, schnell, an uns vorbei! Ich muss hinter euch!«
Der zweite Bishtar stampfte vorbei, seine Stempel patschten mit schmatzenden Geräuschen durch den Morast. Es war so dunkel, dass Reith kaum mehr als die Umrisse des Kolosses erkennen konnte.
»So, und jetzt marsch!« rief er dem Mahout zu. »Bleib dicht hinter den anderen!«
Er steckte sein Schwert zurück in die Scheide, ging wieder nach hinten und hob den Sack auf. Mit fliegenden Fingern versuchte er den Knoten der Durchziehschnur aufzunesteln, doch der hatte sich so mit Wasser voll gesogen, dass er allen Versuchen widerstand. Weiter hinten vom Pfad her hörte man jetzt Hufgetrappel, das Klirren von Eisen und Kommandorufe.
»Jetzt hast du es endlich geschafft, uns umzubringen!« heulte Turner.
Reith zückte erneut sein Schwert und durchschnitt die Schnur. Er warf die Waffe zu Boden, langte in den Sack und zog eine Sterndistel heraus. Diese bestand aus vier Eisendornen von je sechs oder sieben Zentimetern Länge, die an der Basis so zusammengeschmiedet waren, dass ihre Spitzen ein Tetraeder oder eine dreiwinklige Pyramide bildeten. Folglich landete sie, wenn man sie fallen ließ, immer auf den Spitzen dreier Dornen, während der vierte nach oben ragte. Der Schmid in Gha’id hatte zusammen mit seinen Söhnen Tag und Nacht gearbeitet, um Reiths Großauftrag über hundertfünfzig dieser kleinen teuflischen Geräte rechtzeitig fertigzubekommen.
Reith begann jetzt, in regelmäßigen Abständen Sterndisteln über den Rücken des Bishtars hinweg auf den Pfad zu werfen. Der Lärm der Verfolger wurde lauter.
»Was tust du da?« fragte einer der Touristen.
Reith ignorierte die Frage und warf weiter seine Sterndisteln auf den Pfad. Valerie Mulroy krähte mit einem Mal:
»Ach, jetzt wird mir klar, warum du nach hinten wolltest!«
»Beruhigend zu wissen, dass wenigstens einer Grips im Kopf hat«, knirschte Reith, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
Die Geräusche der Verfolger kamen immer näher. Doch plötzlich nahmen die Laute hinter dem Regenvorhang einen anderen Klang an. Man hörte Schreie, Wehrufe, die rasch schwächer wurden.
Reith warf seine letzte Sterndistel. Die Geräusche der Verfolger schienen nicht mehr näher zu kommen.
»Die Dinger verletzen die Ayas«, erklärte Reith. »Die armen Viecher treten sich die Stacheln in die Hufe, brechen aus und werfen ihre Reiter ab.«
»Wie grausam!« sagte Shirley Waterford. »Furchtloser, wie konnten Sie nur!«
»Ich mag auch keine Tierquälerei. Aber möchten Sie lieber zurück in Barres Lager?«
Schweigen kehrte ein. Die Touristen hockten zusammengekauert unter dem prasselnden Regen, während die Bishtare schwerfällig dahinstampften. Von den Verfolgern war nichts mehr zu hören.
Einen Tag später, kurz nach Mittag, trotteten die zwei Bishtare ins Basislager. Reith war beeindruckt, mit welcher Disziplin die durischen Truppen die Einfriedung bewachten: Alle paar Meter stand ein Wachtposten mit schussbereiter Armbrust. Mit großer Sorgfalt wurden die Ankömmlinge identifiziert, ehe sie das Tor passieren durften. Falls Barre einen Vergeltungsangriff starten sollte, würde er eine harte Nuss zu knacken haben. Elf verdreckte Touristen, dazu Reith und Mjipa, kletterten erschöpft die Strickleitern herunter. Lund und Strachan kamen herbeigeeilt, um die Flüchtlinge zu begrüßen. Strachan sagte: »Als ihr heute früh noch nicht da wart, nahmen wir an, dass Barre euch allesamt umgebracht hat.«
»Stimmt, wir haben verdammt lange gebraucht«, erwiderte Reith. »Unsere Mahouts haben sich mehrmals verirrt, aber ich kann ihnen keinen Vorwurf machen, bei dem Regen und in der Dunkelheit!«
»Hat Barre seine Leute nicht zu Fuß hinter euch hergeschickt, als er sah, dass ihr den Weg vermint hattet?«
Reith zuckte die Achseln. »Wenn, dann haben sie uns jedenfalls nicht erwischt. Gut möglich, dass sie sich auch verlaufen haben. Aber zu Fuß kann man ohnehin nicht mit einem Bishtar Schritt halten. Kannst du uns innerhalb von - sagen wir – zwei Stunden einen Zug nach Baianch
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