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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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es nicht das, was du vermisst hast?«, fragte Katrine.
    Søren warf erneut einen Blick auf das Buch. Mit den äußersten Enden seiner Fingerspitzen bekam er den Umschlag zu fassen und zog das Buch zu sich.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte er. »So hast du das gefunden, was die Polizei nicht finden konnte.« Er drehte den Kopf und sah Katrine verächtlich an.
    Sie erwiderte seinen Blick, indem sie ihn so durchdringend anstarrte, dass er schließlich den Kopf abwandte. »Und warum seid ihr damit zu mir gekommen?«, murmelte er.
    »Weil wir dachten, dass du es vermisst«, antwortete Maja und zwang sich zu einem Lächeln.
    Søren warf ihr einen zurückhaltenden Blick zu. Dann schlug er das Buch auf und begann, rasch darin zu blättern. Als er offenbar nicht fand, wonach er suchte, schob er es von sich.
    »Ich hatte gehofft, dass du uns erzählen würdest, wo Timmie …«
    »Warum? Weil du ein Buch gefunden hast?« Er knirschte mit den Zähnen.
    »Ja, auch darum. Und weil du zu mir gesagt hast, ich solle auf Timmie aufpassen. Das hast du doch …«
    »Wenn du wirklich auf Timmie aufpassen willst, warum sitzt du dann hier rum, statt bei ihm zu sein?«, fragte er von oben herab.
    Maja rückte mit ihrem Stuhl näher an den Tisch heran. »Ich weiß ja gar nicht, wo er ist. Du hast ihn gut versteckt.« Sie bekam einen kurzen Blickkontakt zu ihm, ehe Søren wieder wegschaute.
    »Das ist doch ganz einfach. Ich habe alles für dich aufgezeichnet«, sagte er und wies mühsam auf das Buch. »Aber im Medizinstudium lernt ihr anscheinend nicht, zwischen den Zeilen zu lesen. Das macht dich fast so dumm wie die da.« Er machte eine seitliche Kopfbewegung in Richtung Katrine, die ungerührt neben ihm stand.
    »Dann erzähl mir, was die Zeichnungen bedeuten«, sagte Maja und hob mit den Fingerspitzen die ersten Seiten an. »Was zum Beispiel soll das hier darstellen?« Die Seite war mit dicker schwarzer Tusche übermalt. Die verschiedenen Muster hatten gezackte Ränder. Zwischen den Zacken befanden sich kleine fliegende Figuren.
    Søren warf ihr einen kurzen Blick zu, ehe er wieder vor sich hinstarrte. »Hast du schon mal eine Karte der menschlichen Gedanken gesehen?«
    »Nein, ich glaube nicht«, antwortete Maja.
    »Versuche, den Doktor dabei zu erwischen, wie er eine Karte von den Gedanken der Kinder anfertigt. Gedanken, die nicht völlig verwirrend sind, sondern sich ständig in ihren Köpfen drehen«, sagte Søren mit sonderbar leiernder Stimme. »Die Linien gehen auf und ab wie das Zickzack einer Fieberkurve und sind sichere Wege auf Nimmerland …«
    Sie wusste, dass er aus Peter Pan zitierte. »Du zeichnest also die Gedanken der Kinder?«
    Søren versuchte zu klatschen, doch seine fixierten Arme erlaubten den Fingerspitzen nur, sich soeben zu berühren.
    Maja hatte einen trockenen Mund. »Und welche Gedanken sind Timmies? Welche führen zu Timmie?«
    »Was kriege ich, wenn ich es sage?«, fragte er wie ein verzogenes Kind.
    Katrine schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Der Knall ließ Maja und Søren zusammenzucken. Katrine beugte sich über den Tisch, bis ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von dem Sørens entfernt war. »Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt so viel Schwachsinn auf einmal gehört habe.«
    Søren wandte das Gesicht ab und zwinkerte nervös.
    »Ich habe auch darin geblättert«, sagte Katrine. »Und weißt du, was ich gesehen habe?« Sie zeigte auf die aufgeschlagene Seite. »Hier fickst du einen kleinen Jungen in den Arsch. Und hier …« Sie kümmerte sich nicht mehr um ihre Fingerabdrücke, sondern blätterte wild um. »Hier, der Schwanzlutscher, das bist du. Und auf dem nächsten Bild«, sie blätterte weiter, »der Arschficker, das bist auch du.«
    Søren versuchte, sich so weit zurückzulehnen wie möglich. Doch Katrine packte ihn am Nacken und drückte sein Gesicht auf die Tischplatte. Sie blätterte in seinem Buch. »Sieh dir das an! Das sind alles Zeichnungen von dir, dieser ganze krankhafte Scheißdreck …« Er konnte es nicht vermeiden, die Bilder anzusehen.
    Maja war nicht wohl zumute, doch wagte sie nicht, etwas zu sagen. Es kam ihr so vor, als wäre sie wieder auf dem Schulhof. Mit Katrine in der Rolle des Vollstreckers und ihr selbst als verschreckte Zuschauerin.
    »Immer schnell dabei, wenn’s darum geht, sich einen Skalp zu sichern«, knurrte Søren plötzlich. »Wie kommt das nur?«
    Katrine stieß seinen Kopf nach vorn und löste ihren Griff.
    »Die Gedanken der Kinder? Ich habe

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