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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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war damals auch hier, als sie unser Haus überwacht haben.«
    »Haben sie gesagt, was sie mit dem Buch anfangen wollen?«
    »Nein, ich glaub nicht. Aber das ist bestimmt eine Menge wert. Sollte mich nicht wundern, wenn das in ein paar Jahren im Internet versteigert wird.«
    Katrine hatte keine Sekunde gezögert, es abzuliefern, dachte Maja. Sie hoffte, dass man ihr das zugutehielt.
     
    Zum ersten Mal seit der Beerdigung folgte er ihr ins Schlafzimmer im ersten Stock. Sie schaltete ihre Nachttischlampe an. Stig blieb auf der anderen Seite des Betts stehen. Sie lächelte ihm vorsichtig zu, und er lächelte rasch zurück, ehe sie den Blick abwandte. Sie zogen sich beide aus und krochen unter die Decke. Er legte ihr den Arm um die Schultern, und sie schmiegte sich an ihn. Es war merkwürdig, ihn neben sich zu haben. Alles an ihm kam ihr fremd vor. Sein Geruch. Die Haare auf seiner Brust. Sein Penis, der schon hart gegen ihren Oberschenkel drückte. Seine Hand streichelte ihre Schulter und glitt zu einer Brust hinunter. Drückte kurz ihre Brustwarze. Im nächsten Moment spürte sie seine Hand zwischen den Beinen. Seine Finger streichelten sie behutsam und versuchten, in sie einzudringen, doch sie war zu trocken.
    »Hast du keine Lust?«, flüsterte er.
    »Doch, natürlich«, log sie.
    Er legte sich auf sie. Es tat ihr weh, als er sich in sie hineinpresste. Danach fühlte sie nichts mehr. Ihr Körper war wie betäubt. Als gehörte er nicht ihr. Sie spürte nur sein Gewicht, das sie mit rhythmischen Bewegungen in die Matratze drückte. Sie lauschte seinem Stöhnen. Sie spürte seinen warmen Atem an ihrem linken Ohr, dort, wo er seinen Kopf in ihrem Haar vergraben hatte. Sie wusste, dass er bald kommen würde.
     
    Sie schauten beide schweigend an die Decke. An der Innenseite ihrer Schenkel spürte sie etwas Klebriges, und sie musste daran denken, wie sie auf den Gleisen gelegen hatte und fast verblutet war. Jetzt fühlte es sich anders an. Dennoch fühlte sie mit den Fingern nach. Sie betrachtete ihre Fingerspitzen, an denen das Sperma glänzte, und wischte sie an der Bettdecke ab.
    »Ich habe daran gedacht, nach Norwegen zu fahren«, sagte er plötzlich.
    »Wann?«, fragte sie überrascht.
    »So bald wie möglich. Ich werde mich mit einem Verleger treffen.«
    Sie drehte sich zu ihm um. »Ist das Buch fertig?«
    »Noch nicht ganz. Aber was sie bisher gelesen haben, gefällt ihnen.«
    »Herzlichen Glückwunsch. Das ist ja großartig.«
    »Ja.«
    »Wann kommst du wieder?«
    Er räusperte sich, ehe er antwortete. »Ich habe daran gedacht, dass Buch dort oben fertig zu schreiben. Das wäre das Einfachste.«
    »Verstehe«, sagte sie und streckte sich aus. »Natürlich ist es das.« Sein Entschluss verletzte sie, doch sie verstand ihn nur allzu gut.
    »Du kommst doch zurecht, oder?«
    »Jaja«, antwortete sie.
    Er beugte sich über sie und gab ihr einen flüchtigen Gutenachtkuss. Dann drehte er ihr den Rücken zu.
    »Machst du das Licht aus?«
     
    Timmie wusste nicht mehr, ob er wach war oder träumte.
    Er befand sich immer im gleichen Dämmerzustand, ob er die Augen geöffnet oder geschlossen hatte. Der weiße Raum füllte sein Bewusstsein ganz aus. Anderes war nicht mehr da. Nur die ewige Gegenwart des weißen Raums.
    Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt gegessen hatte. Das letzte Stück Brot war schon lange verschwunden. Ihn quälte ein ständiger Hunger. Er hatte versucht, sich am Wasser satt zu trinken, hatte aber alles wieder erbrochen. Etwas an dem Wasser war nicht in Ordnung. Er trank nur noch, wenn der Durst seinen Körper unweigerlich zu dem Hahn drängte.
    Am Anfang hatte er Angst vor denen gehabt, die ihn in den weißen Raum gesperrt hatten. Denn wenn sie ihn einsperrten, dachte er, dann fielen ihnen vielleicht auch andere schreckliche Dinge ein. Dinge, die sie vorher mit ihm getan hatten. Unangenehme, peinliche Dinge. Dinge, die weit in ihm wehtaten, noch lange, nachdem sie aufgehört hatten. Er konnte sich nicht mehr an ihre Gesichter erinnern. Nur, dass sie Erwachsene waren. Haarige Männer mit scharfem Geruch und heiseren Stimmen. Er fürchtete sie nicht mehr. Vielleicht weil er jede Hoffnung aufgegeben hatte, jemals gefunden zu werden.
    Alle hatten ihn vergessen. Mama und Papa, seine Freunde, seine Geschwister. So war es eben. Jemand hatte ihm mal erzählt, dass er zu den verlorenen Jungen gehörte. War es nicht er gewesen, der Lustige, der das alles mit ihm getan hatte? Sein Kopfschmerz nahm zu, und

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