Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
Vom Netzwerk:
schüttelte den Kopf. »Sonst nichts.«
    »Auch keine Samenspuren?«
    »Kein Samen, keine Schamhaare, kein Speichel und kein Blut.«
    »Und dennoch war klar ersichtlich, dass die Jungen … vergewaltigt wurden?«
    »Ja.«
    Sie schluckte schwer. »Aber findet ihr normalerweise nicht eindeutige Spuren vom Täter?«
    »Doch, natürlich, aber die physischen Verletzungen waren in diesen Fällen nicht mehr ganz frisch. Also weder die Hämatome am Körper noch die Risse im Analbereich.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Dass in den letzten achtundvierzig Stunden vor ihrem Tod mit Sicherheit kein sexueller Kontakt mehr stattgefunden hat.«
    Sie kniff die Augen zusammen. »Die Zeitpunkte des sexuellen Missbrauchs und ihres Todes sind also nicht identisch?«
    »Korrekt.«
    »Ist das nicht sehr ungewöhnlich?«
    Er zuckte die Schultern. »An diesen Fällen ist alles ungewöhnlich.«
    Sie schaute auf Søren hinab. »Hältst du es für möglich, dass Søren die Jungs nicht vergewaltigt hat?«
    Hans Henrik bewegte rasch den Kopf hin und her. »Ich würde so weit gehen, zu behaupten, dass er die Jungs nicht vergewaltigt hat, während nach ihnen gefahndet wurde.«
    »Aber hypothetisch?«
    »Hypothetisch wäre das denkbar, aber wir haben keine Spuren anderer Personen gefunden. Aber ich glaube auch nicht, dass die Polizei in dieser Richtung ermittelt.« Er schaute sie prüfend an.
    »Was ist mit Timmie? Glaubst du, dass er noch lebt?«
    Hans Henrik zögerte. »Ich beschäftige mich glücklicherweise ja nur mit den Toten. Das ist einfacher.«
    »Danke, dass du dir die Zeit genommen hast. Das war sehr nett von dir.«
    »Ist doch selbstverständlich«, entgegnete er und lächelte vorsichtig. »Errätst du, was ihm jetzt fehlt?«
    Sie warf einen kurzen Blick auf die Leiche. »Nein, was?«
    Er klopfte mit dem Fingerknöchel auf Sørens Stirn, was einen hohlen Klang erzeugte.
    »Sein Gehirn«, sagte Hans Henrik. »Das haben wir der Wissenschaft verehrt. Ich weiß allerdings nicht, was sie sich davon versprechen. Es war nicht die kleinste Anomalie festzustellen. Ich persönlich glaube, dass es eine reine Prestigesache ist, um vielleicht einen neuen Computertomografen bewilligt zu bekommen.« Er zuckte die Schultern und breitete das Tuch wieder über die Leiche.
    »Viele Grüße zu Hause«, sagte Maja und drehte sich um.
    »Gleichfalls.«
    Sie winkte ihm über die Schulter zu und ging aus der Tür.
     
    Als sie das Rechtsmedizinische Institut verließ, schaute sie auf die Uhr. Es war Viertel nach zwei. Wenn sie sich beeilte, könnte sie noch rechtzeitig zur Vertragsunterschrift wieder in ihrer Praxis sein. Trotzdem würde sie dort anrufen, den Termin mit Bedauern absagen und stattdessen versuchen, Katrine zu erreichen. Die medizinischen Fakten stimmten mit ihrem persönlichen Eindruck von Søren überein und legten die Vermutung nahe, dass er seine Opfer nicht vergewaltigt hatte. Das hieß aber auch, dass dies jemand anderes getan haben musste. Vielleicht sogar mehrere, was zu dem Netzwerk passen würde, von dem Søren gesprochen hatte. Und wenn Timmie noch lebte, würde er diese anderen vielleicht identifizieren können.
     

47
    Es war zehn vor drei. Maja parkte gegenüber dem Polizeirevier auf der anderen Straßenseite. Das Gebäude war grau und genauso trostlos wie der Anblick eines durchweichten Pappkartons. Das Revier war nicht rund um die Uhr besetzt. In der letzten halben Stunde hatte sie mehrere Beamte nach Hause gehen sehen. Sie fragte sich, ob Katrine überhaupt an ihrem Arbeitsplatz war. Vielleicht hatte sie sich aus Enttäuschung über ihre Degradierung erst mal krankgemeldet. Maja hatte sie nicht anrufen wollen. Irgendwas sagte ihr, dass es besser wäre, Katrine zu überraschen, wenn sie etwas aus ihr herausbekommen wollte.
    Im nächsten Augenblick trat Katrine aus der Tür. Sie hatte ihre Ray-Ban-Brille auf der Nase und eine Zigarette im Mundwinkel. Sie blieb stehen, zündete sie an und blies eine Rauchsäule in die sengende Sonne. Dann marschierte sie den Autos entgegen, die der Reihe nach auf ihren Stellplätzen vor dem Gebäude geparkt waren. Maja stieg schnell aus dem Wagen und eilte über die Straße. Katrine stapfte am schwarzen Mondeo vorbei und steuerte auf einen rostigen Mitsubishi zu, der ziemlich durchhing. Katrine wollte gerade die Tür öffnen, als Maja sie erreichte. Katrine drehte den Kopf und sah sie an. »Maja? Was machst du denn hier?« Die Zigarette in ihrem Mundwinkel wippte beim Sprechen auf und ab.
    »Ich

Weitere Kostenlose Bücher