Die Geisel
muss mit dir reden.«
»Tut mir leid, ich habe es ein bisschen eilig.« Sie schloss den Wagen auf. »Können wir nicht die nächsten Tage telefonieren?«
Katrine wollte gerade die Tür öffnen, als Maja ihre Hand festhielt. »Ich muss wirklich dringend mit dir reden.«
Katrine ließ den Türgriff los, nahm die Zigarette aus dem Mundwinkel und klopfte die Asche ab. »Okay, fünf Minuten. Worum geht’s?«
»Ich habe etwas über Petro Dubowitz herausgefunden, den Mann, der Søren …«
»Ich weiß, wer er ist«, unterbrach sie Katrine. »Was ist mit ihm?«
Ehe Maja antworten konnte, drehte Katrine den Kopf und blickte über das Autodach hinweg. In diesem Moment kam Tom Schæfer in Begleitung des Polizeidirektors aus dem Revier. Sie sprachen leise miteinander, während sie der Reihe der Autos entgegengingen. Tom schloss den schwarzen Mondeo auf. Die beiden Männer entdeckten Maja und Katrine, doch keiner von ihnen hob seine Hand zum Gruß. Stattdessen setzten sie sich in den Wagen.
»Komm«, sagte Katrine, »lass uns da rüber gehen.« Sie zeigte auf den Grasstreifen zwischen den beiden Wohnblocks auf der anderen Straßenseite. Als sie über die Straße gingen, fuhr der Mondeo an ihnen vorbei. Beide widerstanden der Versuchung, ihm nachzusehen.
Maja setzte sich auf eine graffitibeschmierte Bank. Vom Kinderspielplatz hinter ihnen schallten ausgelassene Geräusche zu ihnen herüber. Katrine blieb stehen und schaute dorthin.
»Als Søren noch auf freiem Fuß war, war das hier der beliebteste Spielplatz weit und breit. Die Leute pilgerten regelrecht mit ihren Kindern hierher.«
»Wahrscheinlich hat es sie beruhigt, dass das Polizeirevier direkt gegenüber ist.«
Katrine nickte. Sie ließ die Zigarette fallen und trat sie mit der Hacke aus. »Also, was ist mit Dubowitz?«
»Ich habe irgendwo gelesen, dass er, abgesehen von dem, was du mir erzählt hast, auch wegen Vergewaltigung und Misshandlung eines minderjährigen Mädchens verurteilt worden war.«
Katrine zuckte die Schultern. »Ich hatte dir doch erzählt, was das für ein Typ ist.«
»Wusstest du, dass er an einem Rehabilitationsprogramm in der sexualmedizinischen Abteilung teilgenommen hat, das von Thorbjørn Larsen geleitet wurde?«
»Nein, aber was heißt das schon. Das ist die leichteste Art und Weise, eine Strafminderung zu erwirken.«
»Ja, vielleicht, aber stellt das nicht sein Motiv infrage?«
Katrine steckte die Hände in die Taschen. »Wie meinst du das?«
»Wenn er in Therapie ging, um eine Strafminderung zu erreichen, warum hätte er dann Søren umbringen sollen?«
»Diese Typen machen sich im Allgemeinen nicht viele Gedanken, um es vorsichtig auszudrücken. Außerdem gab es schon vorher Probleme mit Dubowitz. Er war mit einem Häftling in der Sicherheitsverwahrung aneinandergeraten. Deshalb hat man ihn ins Gefängnis des Präsidiums überstellt.«
Maja schaute Katrine skeptisch an und verschränkte die Arme vor der Brust. »So was kann doch eine abgesprochene Aktion sein.«
»Natürlich, aber warum hätte er das tun sollen?«
»Um die Möglichkeit zu haben, Søren für alle Zeiten zum Schweigen zu bringen.«
Katrine seufzte und setzte einen Fuß auf die Bank. »Worauf willst du hinaus?«
Maja lehnte sich zurück und schaute sie an. Es war unmöglich, Katrines Augen hinter den dunklen Gläsern zu erkennen. »Ich habe mit dem Pathologen gesprochen, der alle Opfer von Søren obduziert hat. In keinem einzigen Fall hat man Spuren von ihm gefunden.«
»Damit hat Søren ja selbst geprahlt, als wir bei ihm im Gefängnis waren. Das macht ihn aber nicht weniger schuldig.«
»Wie viele Fälle hast du schon erlebt, bei denen der Täter keinerlei physische Spuren zurückgelassen hat?«
»Nicht viele. Aber ich verstehe immer noch nicht, worauf du eigentlich hinauswillst. Die Jungen sind nachweislich vergewaltigt und später ermordet worden. Wir haben ihren Mörder festgenommen, und auch den Mann gefasst, der Søren getötet hat. Viel mehr können wir wohl nicht tun.«
Maja stand von der Bank auf. Sie blickte zu Boden, fasste sich jedoch ein Herz. »Ich will Timmie finden.«
Katrine zog die Hände aus den Taschen und reckte die Arme in die Luft. »Das wollen wir doch alle. Aber es hat eben nicht geklappt.«
»Und wenn Søren doch Recht hatte? Wenn er die Jungen tatsächlich nicht vergewaltigt, sondern getötet hat, um sie zu beschützen?«
Katrine wollte etwas einwenden, doch Maja gab ihr keine Chance. »Hör mir einfach zu. Søren hat sie
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