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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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Untersuchungsergebnisse falsch sein. Dann hätten sie auch bei einem Krebspatienten nach Erkältungssymptomen suchen können.
    Søren hatte sie als ihrer aller Mutter bezeichnet. Ihre Beschützerin. So wie die Wendy im Buch. Er hatte mehrmals die Chance gehabt, sie zu töten; stattdessen hatte er darauf insistiert, dass sie sich um Timmie kümmern solle. Er hatte sie getestet und eine Spur ausgelegt, damit sie das Buch finden könnte. Warum nicht auch Timmie?
    Sie brannte darauf, einen Blick in die Ermittlungsakten der Polizei zu werfen, und hätte am liebsten gleich Katrine angerufen. Aber sie zweifelte daran, dass es noch in deren Macht stand, ihr zu helfen. Auf jeden Fall hätte es nur des geringsten Beweises bedurft, dass Søren die Wahrheit gesagt hatte, sofern es ihr gelang, Katrine zu überreden.
    Maja entschied sich, die wohlgemeinten Ratschläge, die Toten ruhen zu lassen, zu ignorieren. Vielmehr wollte sie ihnen einen Besuch abstatten.
     

46
    Es war stockdunkel und roch nach Chemikalien.
    »Bist du gekommen, um ihn zu sehen?«
    »Nein.«
    »Willst du trotzdem …?«
    »Warum nicht.«
    Hans Henrik schaltete das Deckenlicht an und bereitete der allumfassenden Dunkelheit ein Ende. Er trug einen weißen Kittel, dessen unterer Teil - dort, wo er nicht von der Schürze geschützt wurde - mit Blut befleckt war. Er nestelte an seiner grünen Gesichtsmaske herum, die ihm wie ein Lätzchen um den Hals hing.
    Die Luft war trocken und kühl im Leichenschauraum des Rechtsmedizinischen Instituts. Entlang den Wänden waren die zugedeckten Leichen nebeneinander aufgebahrt. Die weißen Leichentücher leuchteten im Schein des fluoreszierenden Deckenlichts. Der Raum war voll belegt, die Pathologen schienen derzeit jede Menge Arbeit zu haben. Maja folgte Hans Henrik zum anderen Ende des Raumes. Dort bückte er sich und las den Namenszettel, der am Fußgelenk der ersten Leiche befestigt war. Dann zog er die Bahre in den Raum hinaus.
    Er schlug das Tuch zurück. Die Leiche war pergamentgelb und wirkte wie aus Wachs. Bauch- und Brustbereich waren von zahlreichen Löchern perforiert, die stumm zu ihnen aufblickten. Der lange Y-Schnitt, der von beiden Schlüsselbeinen zum Brustbein und von dort in gerader Linie bis zum Schambein verlief, war notdürftig zusammengenäht worden.
    »Wie du siehst, haben wir ihn bereits obduziert«, sagte Hans Henrik und befühlte die Naht. »Wir warten nur noch darauf, dass die Polizei die Leiche freigibt, damit wir hier Platz für die nächste bekommen.«
    »Irgendwelche Zweifel, was die Todesursache betrifft?«
    Er lächelte. »Nein, selbst ein blinder Praktikant hätte das herausgefunden.« Er zeigte auf die kleinen Löcher in der Herzregion. »Aber es hat ziemlich gedauert, bis er tot war. Er ist in seinem eigenen Blut ertrunken, das langsam die Lungen gefüllt hat. Keine sehr schöne Art, diese Welt zu verlassen.«
    »Und der Täter?«
    »Das war doch dieser Serbe, wie hieß er noch gleich?«
    »Dubowitz?«
    »Genau. Er war so nett, sich selbst in die Hand zu schneiden. Da war es nicht schwer, seine Spuren zu finden.«
    »Gab es noch Spuren von anderen?«
    Hans Henrik warf ihr einen wachsamen Blick zu. »Nein, warum fragst du?«
    Sie kehrte die Handflächen nach oben. »Ach, nur so. Reine Neugier. Eigentlich bin ich auch gar nicht gekommen, um mich nach diesem Mord zu erkundigen.«
    »Nein?«
    »Nein«, antwortete sie. »Eigentlich geht es mir mehr um die Jungen, die ihm zum Opfer fielen.«
    Hans Henrik holte tief Luft. »An wen denkst du?«
    »An alle.«
    »Und was willst du wissen?«
    Ihre Hände ruhten auf der Bahre. Sie spürte den kalten Stahl an ihren Handflächen. »Welche Spuren hat Søren bei ihnen hinterlassen?«
    Er blickte nachdenklich an die Decke. »Nicht sonderlich viele. Aber die toxischen Proben haben sehr gute Ergebnisse geliefert. Die Substanzen, die er den Jungen verabreicht hat, stimmten mit denen überein, die wir bei ihm zu Hause gefunden haben.«
    »Und gab es noch andere Spuren, Fingerabdrücke oder DNS?«
    »Wir haben Stofffasern gefunden … und Talkum.«
    »Talkum?«, fragte sie und runzelte die Stirn.
    Hans Henrik nickte. »Er hat die Kinder mit Gummihandschuhen erwürgt, du weißt schon, mit solchen, die man auch zum Putzen benutzt. Das Talkum ist aus den Handschuhen gerieselt, als er ihnen die Hände um den Hals legte.« Hans Henrik demonstrierte, was er meinte, indem er beide Hände um Sørens Hals legte.
    »Und abgesehen von den Fasern und dem Talkum?«
    Er

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