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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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Torlatte auf und flogen den nächsten Baum an. Langsam wurden die Konturen des großen Aufgebots sichtbar. Drei Streifenwagen, ein schwarzer Ford Mondeo, zwei Kombis der Hundestaffel und ein Krankenwagen standen entlang dem Gehweg. Als sie näher kam, hörte sie das Winseln der Spürhunde.
    In diesem Moment wurde das Fernlicht der drei Streifenwagen eingeschaltet. Die Scheinwerfer schickten ein grelles Licht über das abgesperrte Gebiet und ließen die weißen Overalls der Spurentechniker aufleuchten. Einige von ihnen sicherten bereits die Spuren, die aus dem nahe liegenden Gebüsch kamen.
    Maja blieb vor dem rot-weißen Absperrband stehen, das den Fundort umgab. Sie entdeckte Katrine, die auf dem Fußweg stand und mit Hans Henrik sprach. Maja hielt unwillkürlich nach einem Leichensack Ausschau. Wenn sie einen Pathologen hinzugezogen hatten, mussten sie auch eine Leiche gefunden haben. Doch konnte sie weder eine Leiche noch einen Sack entdecken. Hans Henrik nickte einem Sanitäter zu, zum Zeichen, dass sie mit ihrer Arbeit beginnen konnten. Maja sah immer noch keine Leiche, bis Hans Henrik in eine bestimmte Richtung wies.
    Maja schlug sich unwillkürlich die Hand vor den Mund. »Oh, nein …«, stieß sie hervor.
    Sie hatte fälschlicherweise unter den Polizisten gesucht, erblickte nun aber den Körper eines Jungen, der leblos im vordersten Baum hing. Zwei Meter über der Erde, wo die Baumkrone begann, war er mit einem Seil um die Brust am Stamm festgebunden. Er trug eine Shorts und ein Fußballtrikot. Von seinem linken Fuß hing ein Strumpf halb herunter. Das Seil war so angebracht, dass die Arme abstanden, und die Leichenstarre ließ den Körper in dieser Position verharren. Dennis’ offene Augen starrten leer in Richtung der Fußballtore hinter Majas Rücken.
    »Sie sind Ärztin, nicht wahr?«
    Maja drehte sich erschrocken um. Kriminalkommissar Tom Schæfer lächelte sie an. Er zückte sein Notizbuch und blätterte rasch darin, bis er fand, was er suchte. »Maja Holm?«
    »Das ist richtig«, antwortete Maja unsicher und nickte.
    »Wir haben uns im Zuge der Ermittlungen kennengelernt«, sagte Tom Schæfer.
    »Ja, ich erinnere mich.«
    »Darf ich fragen, was Sie hier tun?«
    »Ich … Ich …« Sie spähte zu den Sanitätern hinüber, die in diesem Moment eine Leiter an den Baum lehnten, um die Leiche zu bergen. »Ist das Dennis?«, fragte sie. »Dennis Vang?«
    »Darüber darf ich leider keine Auskunft geben.« Er klopfte mit dem Kugelschreiber auf sein Notizbuch. »Können Sie mir sagen, was Sie so früh am Morgen hier zu suchen haben, Frau Holm?«
    »Ich war auf dem Weg zur Arbeit, da habe ich gesehen, dass hier irgendwas vor sich geht«, antwortete sie und zeigte nach hinten.
    Tom Schæfer schaute zur Straße hinüber. Der Nebel lichtete sich allmählich. Er nickte, ehe er sich Maja erneut zuwandte.
    »Machen Sie öfter einen Morgenspaziergang in dieser Gegend?«
    »Nein, ich … äh … bin zum ersten Mal in diesem Teil des Parks.«
    Tom Schæfer machte sich Notizen und blickte zu ihr auf.
    »Sind Sie auf dem Weg hierhin irgendjemandem begegnet?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Er lächelte sie an. »Dann will ich Sie nicht länger aufhalten.«
    Er schlenderte hinter die Absperrung und blieb dort stehen. Was Maja als Aufforderung verstand, sich ihrerseits in Bewegung zu setzen. Hinter ihm wurde Dennis vom Baum abgenommen.
     
    Nachdem sich Maja am Nachmittag von ihrem letzten Patienten verabschiedet hatte, rief sie Stig an und schlug vor, schon einmal gemeinsam nach Autositzen für Walnuss zu schauen.
    »Aber wir wollten damit doch bis nach der Geburt warten«, entgegnete Stig am anderen Ende der Leitung.
    »Da können wir das doch genauso gut heute hinter uns bringen.« Sie wusste, dass sie gereizt klang, was ihrer Stimme umso mehr Nachdruck verlieh.
    »Na gut, wenn du meinst«, murmelte Stig. »Dann breche ich jetzt einfach ab.«
    Kann ja nicht so schlimm sein, dachte sie, da er immer noch unter einer Schreibblockade litt.
    Eine Stunde später holte sie ihn zu Hause ab. Schweigend fuhren sie zu einem Geschäft namens BabySam, das am Ende der Hauptstraße lag.
    »Irgendwas nicht in Ordnung?«, fragte er.
    »War nur ein anstrengender Tag«, antwortete sie und starrte stumm aus der Windschutzscheibe. Sie hatte beschlossen, ihm nichts von ihrem morgendlichen Erlebnis zu erzählen. Auch ihren Kollegen gegenüber hatte sie kein Wort gesagt, obwohl sie das Bild von Dennis, der am Baum hing, den ganzen Tag

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