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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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und übersetzte für diejenigen, die kein Latein verstanden: »Bis in alle Ewigkeit.«
    »Wohl eher in saecula saeculorum«, verbesserte Claus. »Sie bekamen mehrere tausend Treffer. Ihr Täterprofil war wirklich ein Witz.«
    »Warum?«
    »Warum es ein Witz war? Weil es auf so ziemlich jeden gepasst hätte. Selbst hier im Raum.« Er zeigte mit dem Finger in die Runde.
    »Sie haben also keine bestimmte Person im Visier?«
    »Das glaube ich nicht. Beziehungsweise, sie haben viel zu viele Leute im Visier.« Claus lächelte. Ihr Bauchkribbeln signalisierte ihr, dass sie ihn immer noch sehr attraktiv fand.
    »Claus arbeitet hin und wieder in der Gerichtspsychiatrie, wo er psychologische Gutachten erstellt«, sagte Kirsten.
    »Es ist natürlich leichter, ein Profil zu erstellen, wenn man weiß, mit wem man es zu tun hat«, kommentierte Claus mit bescheidenem Lächeln.
    »Claus hat in den letzten Jahren einige höchst interessante Täterprofile verfasst, unter anderem vom Marianne-Mörder«, sagte Jette mit unverhohlener Bewunderung.
    Claus wandte den Kopf ab. »Ja, von dem auch.«
    Maja nickte und war beeindruckt. Sie kannte die Geschichte der achtjährigen Marianne und ihres sadistischen Mörders. Die Zeitungen waren vor ein paar Jahren voll davon gewesen. Ein Mord, dessen Brutalität nur von den Pan-Morden in den Schatten gestellt wurde.
    Claus sah Maja an. »Wie war dein unmittelbarer Eindruck …?«
    Die Frage kam überraschend. »Du meinst … von ihm?«
    Claus nickte. Es wurde vollkommen still. Maja blickte rasch in die Runde. »Furchteinflößend«, antwortete sie und schluckte schwer. »Das ist das Wort, das mir am ehesten zu ihm einfällt.«
    »Entschuldige, dass ich gefragt habe«, sagte Claus.
    »Nein, nein, kein Problem.«
    Er stand so rasch auf, dass er seinen Stuhl festhalten musste, damit er nicht nach hinten fiel. »Vielen Dank für den Kuchen … beziehungsweise die Torte«, sagte er noch, dann war er verschwunden.
    Maja schaute ihm nach.
    »Er ist unglaublich tüchtig, nur manchmal fehlt ihm das Gespür für die Situation«, erklärte Kirsten und zuckte bedauernd die Schultern.
    »Non scholae, sed vitae discimus«, sagte Ove und lehnte sich zufrieden zurück.
    Soweit Maja sich an ihre Schulzeit erinnerte, hatte das etwas mit dem Lernen fürs Leben zu tun. Ove ging ihr langsam auf die Nerven.
     
    Die Tür zu Claus’ Büro stand offen. Maja warf einen Blick hinein. Claus stand am Fenster und telefonierte. Als er sie erblickte, winkte er sie energisch herein. Er streckte zwei Finger in die Luft, zum Zeichen, dass das Gespräch gleich beendet sein würde. Sie setzte sich auf den Stuhl vor den Schreibtisch und schaute sich in dem kleinen Raum um. Auf dem obersten Regalbrett thronte eine riesige Trophäe. Fechten, 1. Platz, Seelandmeister 2002 war darauf eingraviert. Es war doch seltsam, wie viele Männer am Arbeitsplatz mit ihren Hobbys prahlten. In Skouboes Büro hing ein Foto seines Swan 42- Segelboots. Larsen stellte seine Golfschläger zur Schau. Auf den Schreibtischen ihrer Kolleginnen standen fast immer Fotos ihrer Kinder und Enkel. Sie selbst hatte weder Bilder noch Trophäen. Sie zog es vor, ihre Arbeit vom Privatleben zu trennen.
    Claus legte auf und lächelte sie an. »Entschuldige bitte.« »Ich muss mich entschuldigen, dass ich hier so rein platze.«
    »Nein, ich meine mein unpassendes Verhalten von vorhin.« Er schüttelte verlegen den Kopf. »Ein Psychologe ohne Empathie, schlimmer geht’s ja wohl kaum.«
    Maja lächelte. »Eigentlich habe ich mich gefreut, dass du gefragt hast.«
    »Wirklich?«
    »Ja, und um ehrlich zu sein, aber das muss unter uns bleiben, bin ich auch nicht nur zum Kaffeetrinken gekommen.« Sie warf einen verstohlenen Blick zur offenen Tür.
    »Jetzt machst du mich aber neugierig«, entgegnete er und nahm hinter dem Schreibtisch Platz.
    Sie senkte die Stimme. »Ich mache mir Sorgen über die fehlenden Resultate der Polizei. Nach dem, was du über ihr unzulängliches Täterprofil erzählt hast, ist meine Sorge auch nicht geringer geworden. Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass sie überhaupt nichts in der Hand haben. Was bedeutet, dass ein weiterer Junge in Gefahr ist.« Sie verschwieg mit Absicht, dass er auch sie bedroht hatte.
    Claus nickte. »Ja, ein schrecklicher Gedanke. Wir haben selbst einen achtjährigen Sohn. Wir bringen ihn jeden Tag zur Schule und holen ihn auch wieder ab. Schließen nachts alle Fenster, und trotzdem ist mir jedes Mal mulmig zumute, wenn ich ihn

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