Die Geisel
viele Personen hast du gefunden?«
»Einundzwanzig.«
»Mit welchen Parametern hast du gesucht?«
»Außer denen der Polizei habe ich das spezifische Verhalten der Personen in Mordfällen berücksichtigt. Grob gesagt, habe ich aus ihrem Verhalten eine Art Persönlichkeitstest entwickelt, da ich mit den fraglichen Personen nicht kommunizieren konnte. Schließlich wird eine Person durch ihre Handlungen definiert«, fügte er ein wenig selbstzufrieden hinzu.
»Aha«, sagte sie. »Noch was?«
»Natürlich. Ich habe die Ergebnisse verschiedenen psychischen Krankheiten zugeordnet. Am Ende hatte ich ungefähr hundert Personen herausgefiltert, deren schizophrene Züge mit denen unseres Täters übereinstimmen könnten. Diese Personen habe ich außerdem mit der Datenbank der Gerichtspsychiatrie abgeglichen.«
»Nach welchen Kriterien?«
»Nach vorwiegend strafrechtlichen Kriterien. Zurück blieben einundzwanzig Personen, deren Profil dem unseres Pan-Mörders entspricht. Was natürlich immer noch eine beängstigend hohe Zahl ist, wenn man darüber nachdenkt.«
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sandte ihr ein Lächeln, das einen berechtigten Stolz über seine eigene Leistung verriet.
»Beeindruckend. Aber wie konntest du so langwierige Untersuchungen anstellen, ohne entdeckt zu werden?«
»Alles eine Frage des richtigen Timings.« Sein Lächeln wurde nicht schmaler. »Und der Hilfe von Polizeirätin Katrine Bergman.«
»Wie das?«
»Nach meinen Aufzeichnungen ist die Polizei nach ihrem ersten Besuch ein weiteres Mal hier erschienen und hat, sagen wir mal, eine etwas effektivere Suche durchgeführt.«
»Und wenn jemand bei der Polizei nachfragen sollte?«
Er breitete entschuldigend die Arme aus. »Dann muss ich zum Zeitpunkt der Tat wohl geistig umnachtet gewesen sein.«
Sie lächelte, ohne von den Unterlagen aufzublicken. Es war eine unheimliche Lektüre. Claus hatte nicht untertrieben. Diese Patienten waren äußerst gefährlich. Aus den Dokumenten der Gerichtspsychiatrie ging hervor, dass mehrere von ihnen wegen Mord und Vergewaltigung von Minderjährigen verurteilt worden waren. »Irgendwelche Hauptverdächtigen?«
»Von den einundzwanzig Personen sitzen zwölf in Sicherheitsverwahrung in Herstedvester. Keiner von Ihnen hat Ausgang. Die übrigen neun befinden sich in psychiatrischen Einrichtungen und dürfen diese hin und wieder in Begleitung verlassen.«
»Was ist mit den letzten drei?«, fragte sie und blätterte zu den Dokumenten vor, die sich ganz am Ende befanden.
»Mit zwei von ihnen habe ich persönlich gesprochen. Außerdem habe ich sogar ihre Familien besucht.«
»Wirklich?«, fragte Maja, die von so viel Enthusiasmus beeindruckt war.
»Ja, und ich bin mir zu neunundneunzig Prozent sicher, dass sie nichts mit den Morden zu tun haben. Beide nehmen ihre verschriebenen Medikamente und werden von den Behörden scharf überwacht. Der eine wohnt sogar bei seinen Eltern.«
»Was ist mit dem letzten auf der Liste?«
»Nach dem, was ich herausgefunden habe, wohnte er nicht weit von den getöteten Jungen entfernt. Er war eindeutig pädophil und wurde mehrfach verurteilt. Die Jungen waren alle zwischen sieben und neun Jahre alt. 1989 wurde er für unzurechnungsfähig erklärt. Das geschah, nachdem er seine Mutter ermordet hatte. Vielleicht hast du ihn schon mal gesehen.«
»Wo sollte ich ihn gesehen haben?«
»Seit er 2001 aus der Anstalt entlassen wurde, war er Patient bei euch im Ärztehaus.«
Maja bekam einen trockenen Mund. Sie blätterte bis zur letzten Seite, an die ein Foto der Gerichtspsychiatrischen Klinik angeheftet war. Sie glaubte tatsächlich, den schmächtigen Mann mit dem Pferdeschwanz schon einmal gesehen zu haben. »Und du glaubst, dass er hinter den Morden stehen könnte?«
»Ich habe es geglaubt«, antwortete Claus.
»Und warum glaubst du es nicht mehr?«
»Weil er tot ist.«
Sie schaute ihn überrascht an.
»Bjarke Iversen hat sich vor zwei Monaten erhängt.«
Sie legte den Stapel auf den Schreibtisch zurück. »Damit scheidet er natürlich aus.«
»Scheint so.«
»Und mehr gibt es nicht auf deiner Liste?«
»Nein«, sagte er und nahm die Papiere wieder an sich.
»Tja, dann kommen wir hier wohl nicht weiter«, sagte sie ein wenig enttäuscht.
Claus schob die Unterlagen wieder in die Plastikhülle, spannte das Gummiband darum und legte sie in die Schublade zurück. »Es sei denn, es gibt jemanden, der in der Lage ist, noch genauere Suchkriterien zu finden, noch
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