Die Geisel
an der Schule absetze und weiter zur Arbeit fahre. Aber was sollen wir anderes tun?«
»Der Polizei ein bisschen unter die Arme greifen«, antwortete sie prompt.
Claus setzte sich anders hin. »Wie meinst du das?«
»Ich hatte zwar nur sechs Monate mit Psychiatriepatienten zu tun, aber ich habe gelernt, dass sich ein psychopathisches Verhalten wie das von Pan nicht von einem Tag auf den anderen entwickelt. Er muss sich irgendwo in den Archiven befinden, davon bin ich fest überzeugt. Entweder hier oder in der sexualmedizinischen Abteilung. Und da ich dort bereits mit Thorbjørn Larsen gesprochen habe, bin ich jetzt hierher gekommen.«
Claus lächelte beeindruckt und lehnte sich zurück. »Du warst drüben und hast mit dem Verrückten Professor gesprochen? Was hat er gesagt?«
»Er hat Angst. Große Angst. Etwas Vergleichbares hat er noch nie erlebt.«
»Aber hat er irgendeinen konkreten Verdacht?«
»Nein, er hat sogar geleugnet, dass der Täter pädophil ist.«
Claus schnaubte. »Da erlaube ich mir, anderer Meinung zu sein.«
Sie zuckte die Schultern. »Die Polizei hat jedenfalls ein paar alte Bekannte von dort drüben verhört. Ohne Erfolg.«
»Und was kann ich für dich tun?«
Sie zögerte. Was sie ihm vorschlagen wollte, war zweifellos illegal, und sie wusste nicht recht, wie sie ihm die Idee schmackhaft machen sollte. »Ich … Ich habe versucht, ein umfassenderes Profil von Pan zu erstellen. Es basiert teils auf meiner persönlichen Begegnung mit ihm, seiner Physiologie, soweit ich mich daran erinnern kann, sowie seinen eigenen Aussagen. Darüber hinaus habe ich berücksichtigt, was in den Medien über ihn berichtet wurde, und ich habe auch die Substanzen mit einbezogen, die er vermutlich selbst einnimmt und die er seinen Opfern verabreicht. Es ist gut möglich, dass sie ihm verschrieben wurden.«
»Und du willst, dass ich mir das Profil mal ansehe?«
Sie lächelte vorsichtig. »Ein bisschen mehr als das. Ich dachte, wir könnten ADAM zurate ziehen.«
Er rieb sich nachdenklich das Kinn. »Du arbeitest ja schließlich nicht mehr hier. Hast du eine Genehmigung?«
»Nicht direkt. Deshalb brauche ich ein wenig Hilfe, besser gesagt, ein funktionierendes Passwort, weil mein altes nicht mehr gilt.«
»Du hast also schon versucht, dich einzuloggen?«
»Ich bekenne mich schuldig«, antwortete sie mit einem Lächeln.
Claus schüttelte gutmütig den Kopf. »ADAM war ziemlich hungrig, seit du das letzte Mal hier warst. Von den fünf Regalkilometern des Zentralarchivs haben sich seine kleinen Scanner schon fast durch vier hindurchgefressen.«
ADAM war der Name des Systems, das es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das gesamte Zentralarchiv des Krankenhauses elektronisch zu erfassen. Das Zentralarchiv enthielt sämtliche Patientenakten der letzten vierzehn Jahre. Alle neuen Dossiers sollten von kleinen Handcomputern erfasst werden, die ihre Informationen automatisch an ADAM weitergaben. Dieses neue elektronische System machte es möglich, jederzeit auf die Patientenakten aller Abteilungen des Hauses zuzugreifen - sofern man das richtige Passwort kannte.
»Meine Lust auf Adam ist nicht geringer geworden«, entgegnete Maja.
»Du weißt genau, dass das System sorgfältig überwacht und jeder Zugriff autorisiert werden muss.«
»Ja«, antwortete sie. »Aber ich dachte, es gäbe da vielleicht eine Hintertür.«
Claus schüttelte den Kopf. »Ich kenne keine Hintertür, schon gar nicht, wenn du mit Schlagwörtern arbeitest. Schlimmstenfalls bekommst du einen Prozess an den Hals und verlierst deine Zulassung.«
»Hab ich alles schon erlebt«, murmelte sie, ohne sich weiter dazu zu äußern. »Ich will ja auch nur herausbekommen, ob eine Möglichkeit besteht, dem Täter auf die Spur zu kommen - damit nicht noch ein Kind sterben muss!« Sie blickte zu Boden und bekam allmählich das Gefühl, dass sie hier ihre Zeit vergeudete.
»Du bist nicht die Einzige, die sich Sorgen macht«, sagte Claus. Er stand auf und schloss die Tür. »Was ich jetzt sage, bleibt in diesen vier Wänden.«
»Natürlich.«
Er setzte sich wieder hinter den Schreibtisch, zog die unterste Schublade auf und nahm eine Plastikhülle heraus. »Eine so umfassende Suche, von der du gesprochen hast, habe ich bereits durchgeführt.«
Sie schaute ihn überrascht an. »Darf ich mal sehen?«
Er zog das Gummiband von der Hülle und schob sie zu ihr hinüber. »Das ist streng vertraulich!«
»Natürlich«, sagte sie und öffnete die Mappe. »Wie
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