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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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genauer zu recherchieren.«
    Sie zweifelte nicht daran, dass seine Fähigkeiten ihren überlegen waren. Es gab also keinen Grund, auf eigene Recherchen zu bestehen. »Aber wie hat dieser Pan sich versteckt halten können?«
    »Gute Frage. Er könnte sich in einem anderen Land aufgehalten haben. Vielleicht hat er auch nur Glück gehabt und seine Verbrechen zumindest teilweise verbergen können.«
    »Meinst du, er könnte noch mehr Menschen ermordet haben, ohne dass wir es wissen?«
    »Das halte ich für durchaus möglich.«
    »Aber ist es für ihn nicht wichtig, seine Opfer der Öffentlichkeit zu präsentieren?«
    Claus nickte. »Im Moment schon, aber so muss es nicht immer gewesen sein.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich glaube, er will das Gefühl haben, seine Morde perfekt auszuführen, bevor er sie der Welt zeigt. Wenn man sie sich genauer betrachtet, sind sie immer raffinierter geworden. Auch in den Medien wird er als intelligenter, ja sogar kreativer Mörder hingestellt - was sicherlich sein Ego befriedigt.«
    »Meinst du, er könnte noch weitere Morde auf dem Gewissen haben?«
    Er runzelte die Stirn. »Vielleicht. Andererseits gibt es in Dänemark, soweit mir bekannt, derzeit keine ungeklärten Kindermorde.«
    »Hältst du es für möglich, dass er gerade erst zu uns ins Land gekommen ist?«
    »Kann schon sein. Er glaubt ja schließlich selbst, dass er aus Nimmerland kommt«, antwortete Claus lächelnd.
    Sie bedankte sich für seine Hilfe und stand auf.
    »Wenn dir irgendwas auffällt, was du näher überprüfen willst, dann will ich sehen, was ich tun kann.«
    »Danke, Claus.«
     

20
    Die alte Petroleumlampe hing von einem Haken an der Decke und tauchte den umgekippten Holztisch in ein gelbes Licht. Søren Rohde zog die letzte Styroporplatte in die Kajüte und lehnte sie gegen die übrigen sechs. Die achtzig Zentimeter dicken Isolierplatten hatte er von einer Baustelle gestohlen. Er war in Schweiß gebadet und setzte sich erschöpft auf die Pritsche. Sein Keuchen hallte von den Innenwänden des Bootes wider. Hier roch es scharf nach Rost, Dieselöl und Schimmel von der stockfleckigen Matratze auf der Pritsche. Seine Lederschuhe waren durchweicht vom Wasser, das sich auf dem Boden gesammelt hatte. Die nassen Füße bewirkten, dass er auf die Toilette musste, aber das ging jetzt nicht. Es gab immer noch viel zu tun, und die Zeit drängte.
    Es hatte länger gedauert als erwartet, alle notwendigen Materialien für sein Projekt zu besorgen. Da er das meiste gestohlen hatte, war er etwaigen Zeugen und Überwachungskameras weitgehend aus dem Weg gegangen. Er schaute sich um. Das Boot war ein Wrack, doch zumindest war es sein Wrack. Er hatte das Piratenschiff Jolly Roger zurückerobert.
    Mit der Lampe in der Hand schlängelte er sich durch den Salon und stapfte zur Vorschiffskoje, dem Schlafraum des Kapitäns. Sie war ungefähr fünf Quadratmeter groß und einen Meter achtzig hoch. Doch auch hier war alles genauso verfallen wie auf dem übrigen Boot. Das V-förmige Bett war weggefault und lag als Brennholz auf dem Boden. Dort, wo sich noch Sperrholzplatten an den Wänden befanden, hatte die Feuchtigkeit sie verzogen.
    Rechts neben der Tür lag das separate Bad. Darin befanden sich eine defekte Bootstoilette, ein Waschbecken aus grünem Plastik und ein Duschkopf, bei dem der untere Teil fehlte.
    Søren dachte, die Bootstoilette würde zu viel Krach machen, wenn man sie mit der Handpumpe leerte. Er musste sie gegen ein Trockenklosett austauschen. Auch die Dusche musste entfernt werden, damit niemand mit dem Duschkopf gegen die Wand schlagen konnte, um Aufmerksamkeit zu erregen. Außerdem konnte er als Schlagwaffe gegen ihn benutzt werden.
    Er öffnete den Wasserhahn, um sich zu vergewissern, dass das Wasser floss. Er hatte den ganzen Vormittag damit verbracht, den Vorratsbehälter zu reinigen und mit frischem Wasser zu füllen. Vierhundertzwanzig Liter. Das Wasser, das aus dem Hahn tröpfelte, war trüb und roch nach faulen Eiern. Er probierte es. Es schmeckte bitter, doch er war sicher, dass man nicht sterben würde, wenn man es trank.
    Er hängte die Lampe an den Haken, der an der Tür befestigt war. Vor vielen Jahren hatte daran ein Marinebild gehangen, das zwei Fregatten im Kampf zeigten. Das Bild hatte ihm damals geholfen, sich weit, weit weg zu träumen. Weg von der Dunkelheit der Kajüte.
    Dann begann er damit, die Sperrholzplatten von den Wänden zu reißen. Sie schnitten ihm in die Hände, doch er war zu

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