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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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drang eine metallische Stimme aus dem Walkie-Talkie. »Der minderjährige Timmie Brostrøm ist von einem Spielplatz nahe der Klosterwiese verschwunden. Vor circa zwei Stunden ist er das letzte Mal gesehen worden.«
    »Wie alt ist er?«
    »Acht.«
    Katrine biss sich auf die Lippe. Sie versuchte sich zu sammeln, ehe sie weitersprach. »Hat er heute Geburtstag?«
    Sie erhielt zunächst keine Antwort. »Negativ … Seine Personenkennnummer zeigt, dass er in dreizehn Tagen Geburtstag hat.«
    »Verstanden. Schickt einen Streifenwagen zum Spielplatz. Informiert die Hundestaffel, die sollen die Klosterwiese absuchen. Wir stoßen von hier aus dazu.«
    »Verstanden.«
    »Wer lässt auch schon abends seine Kinder allein auf den Spielplatz«, brummte Katrine und drehte sich um.
     
    Søren drückte Timmies kleine Hand, die fast in seiner Faust verschwand. Die Arme des Jungen waren weiß wie Marmor und schimmerten im Dunkel. In der Ferne hörte man Polizeisirenen. Er zog an Timmie, damit sie schneller vorankamen. »Wir dürfen nicht zu spät zu dem wunderbaren Ort kommen«, sagte Søren und lächelte zu dem Jungen hinab.
    Søren trug ein pinkfarbenes T-Shirt der Skovly-Bürgerwehr über seinem weißen Hemd. Das T-Shirt hatte er vor ein paar Wochen von einem Trockenständer gestohlen. Damit hatte er sich ungehindert in den Wohngegenden herumtreiben und sich auch ungestört auf dem Spielplatz aufhalten können, wo er in Ruhe auf Timmie gewartet hatte, so wie immer, während die Polizei nach ihm suchte.
    Er schaute sich rasch um. Bis auf Weiteres würde der Park ihnen Schutz gewähren. Hier war es herrlich dunkel, so dass man die Sterne am Himmel erkennen konnte. Sie zwinkerten ihm zu, als wollten sie sagen: Gute Arbeit, Peter Pan, wir verlassen uns auf dich.
    Ansonsten war der Plan mit Timmie total fehlgeschlagen. Eigentlich hatte er ihn erst nächste Woche, an seinem Geburtstag, nach Nimmerland mitnehmen wollen. Søren fragte sich, wie sie ihn nur hatten aufspüren können. Das war doch vollkommen unlogisch. Er hatte nicht den geringsten Hinweis hinterlassen. Stattdessen war er vorsichtig und raffiniert und vor allem … unsichtbar für alle Erwachsenen gewesen. Trotzdem hatten die Rothäute ihn gefunden. Sie mussten Hilfe von außen haben. Nicht einmal Tigerlilly war so klug. Glücklicherweise hatte er gerade aus dem Küchenfenster geguckt und die beiden Beamten gesehen, die über den Platz auf sein Haus zugegangen waren. Da war er in Panik geraten und Hals über Kopf geflüchtet. Worauf er nicht stolz war. Pan wäre dageblieben, hätte gekämpft und sie mit seinem Dolch getötet. Diesen Teil des Tages versuchte er zu vergessen.
    »Komm, Timmie, es ist nicht mehr weit.« Der schmale Park verlief parallel zur Hauptstraße, die drei Häuserblocks entfernt lag. Der Park war die einzige Möglichkeit, unbemerkt die Stadt zu durchqueren. Später musste er versuchen, ein Auto zu stehlen. Die Sirenen der Polizeiautos kamen immer näher. Die blauen Blinklichter leuchteten zu beiden Seiten des Parks. Unbehaglich drehte er sich um. In der Ferne sah er die Lichtkegel der Taschenlampen. Die Rothäute versuchten ihn einzukreisen, da war er ganz sicher. Weit vorn lauerten sie ihm bestimmt in ihren Verstecken auf. »Den ungeschriebenen Gesetzen hinsichtlich des Krieges unter Wilden zufolge sind es immer die Indianer, die angreifen.« So stand es in seinem Buch. So war es.
    »Ich bin müde«, sagte Timmie mit unsicherer Stimme. Er blickte mit seinen blauen Augen zu Søren auf. Die Rohypnol-Tabletten, die er in sein Mineralwasser getan hatte, wirkten immer noch.
    »Wir sind gleich da«, sagte Søren und beschleunigte seine Schritte. Timmie musste laufen, um mit ihm Schritt zu halten.
    »Ich hab auch Bauchschmerzen.«
    »Jetzt musst du ein großer Junge sein, Timmie. Die Indianer sind uns direkt auf den Fersen. Und du willst doch nicht skalpiert werden, oder?«
    »Ich will dieses blöde Spiel nicht mehr spielen«, quengelte Timmie. »Ich will jetzt nach Hause.« Er versuchte sich loszureißen.
    Søren blieb stehen und ließ seine Hand los. Timmie schwankte vor und zurück, während er um sein Gleichgewicht kämpfte. »Ich gehe jetzt nach Hause. Es ist auch schon viel zu spät.«
    Søren nickte. »Okay, dann komm gut nach Hause, Soldat.« Er salutierte und Timmie lächelte.
    Timmie schaute sich unsicher um. »Wir sehen uns morgen, okay?«
    Søren ging in die Hocke, so dass er sich auf Augenhöhe mit Timmie befand. »Nein, Timmie, das tun wir leider

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