Die Geisel
sich hinter sie und massierte ihr die Schultern. Sie bekam ein schlechtes Gewissen, dass sie ihm nichts über die Ereignisse des Tages erzählt hatte. »Ach, das tut gut«, sagte sie, obwohl sie zu gestresst war, um seine Berührung genießen zu können.
Sie versuchte sich einzureden, dass es zu seinem Besten war, wenn sie ihn nicht einweihte. Er würde sich nur allzu große Sorgen machen, wenn er davon erfuhr, was sie getan hatte. Wenn die Verhaftung von Søren Rohde erst mal offiziell verkündet wurde, brauchte niemand mehr zu wissen, wie die Polizei auf ihn gekommen war. Schon gar nicht Stig.
Er legte die Arme um sie und schmiegte sein Gesicht an ihren Nacken. Er schnupperte an ihrem Haar. »Wir haben es gut, nicht wahr, Maja?«
»Doch«, antwortete sie und meinte das auch.
Durch das Küchenfenster sah sie, wie ein blauer Ford Transit vor ihrem Haus hielt. Auf der Seite stand »Polizei«. Es folgten ein Streifenwagen sowie ein Einsatzfahrzeug der Hundestaffel. Mehrere Polizisten stiegen aus. Binnen weniger Sekunden war die Straße voll von Einsatzkräften mit Kampfausrüstung und Maschinengewehr im Anschlag. Die Hunde wurden aus dem Wagen gelassen und schlugen sofort an.
»Was ist denn hier los?«, fragte Stig und betrachtete den Auflauf mit offenem Mund.
In diesem Moment erblickte Maja Katrine auf der anderen Straßenseite. Sie überquerte mit Tom die Fahrbahn, während sie in ein Walkie-Talkie sprach.
»Keine Ahnung, aber das sieht nicht gut aus«, antwortete Maja.
27
Zwei Beamte in Kampfanzügen hatten sich vor ihrer Wohnzimmertür postiert. Maja und Stig saßen dicht aneinandergedrängt auf dem Sofa und hielten sich an den Händen. Niemand von ihnen sprach ein Wort. Vor ihnen marschierte Katrine hin und her und sprach über ihr Walkie-Talkie mit der Einsatzleitung. Aus dem, was Maja aufschnappte, musste sie schließen, dass die Polizei gerade dabei war, die halbe Stadt abzuriegeln. Katrine beendete das Gespräch, ehe sie sich zu Maja und Stig umdrehte.
»Tut mir leid«, sagte sie und befestigte das Funkgerät wieder an ihrem Gürtel. »Wir haben Rohdes Wohnung durchsucht und eine Reihe von Beweisen gefunden, dass er etwas mit den Morden an Henrik Nielsen, Nicholas Toft, Oliver Neergård und Dennis Hansen zu tun hat. Auch mit dem Überfall auf dich.«
»Mit den Pan-Morden?«, fragte Stig ungläubig.
Katrine nickte.
Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Aber das ist ja fantastisch«, sagte er und umarmte Maja. »Nicht wahr, mein Schatz?«
Maja tätschelte seinen Oberschenkel und blickte zu Katrine auf. »Was habt ihr bei ihm gefunden?«
Katrine stemmte die Hände in die Hüften. »Darauf darf ich jetzt nicht eingehen.«
»Katrine …«, sagte Maja mit Nachdruck und sah sie eindringlich an. So einfach wollte sie sich nicht abspeisen lassen.
Katrine zuckte die Schultern. »Wir haben kinderpornographisches Material gefunden, Überwachungsfotos der Kinder und ihrer Eltern, Aufzeichnungen über ihre Tagesabläufe. Es waren auch ein paar Fotos von dir dabei.«
Maja bekam eine Gänsehaut.
»Außerdem haben wir mehrere Gegenstände gefunden, die vermutlich von den Kindern stammen. Kleidungsstücke und Spielsachen. Unsere Techniker sind immer noch dabei, die Wohnung auf den Kopf zu stellen. Offenbar haben sie auch ein kleines Chemielabor in der Küche entdeckt. Einige der Substanzen, mit denen er die Kinder betäubt hat, hat er selbst hergestellt.«
Stig verzog das Gesicht. »Wie gut, dass ihr ihn endlich erwischt habt.«
Katrine sagte nichts mehr. Im Garten bellte ein Polizeihund. Stig drehte sich auf dem Sofa um und warf einen Blick aus der Terrassentür. Die Lichtkegel der Taschenlampen wanderten durch den Garten, der offenbar Zentimeter für Zentimeter abgesucht wurde. Er wandte sich wieder an Katrine. »Ich habt ihn doch festgenommen, oder?«
Katrine holte tief Luft. »Das ist nur eine Frage der Zeit. Seine Beschreibung ist an sämtliche Dienststellen im ganzen Land und an Europol gegangen.«
Maja ließ sich tiefer ins Polster sinken. Der Alptraum wollte offenbar kein Ende nehmen. »Habt ihr eine Idee, wo er sein könnte?«
Katrine schüttelte den Kopf. »Wir haben alle Ressourcen mobilisiert, um nach ihm zu suchen. Das ist die größte Fahndungsaktion in der dänischen Geschichte.«
»Die in unserem Garten anfängt«, sagte Stig trocken.
Katrine wandte sich an Maja. »Ich denke, der wird sich jetzt ganz auf seine Flucht konzentrieren, aber wir wollen natürlich sichergehen,
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