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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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nur einen Millimeter von seinem Handrücken entfernt. Er konnte es vorsichtig streifen, während er die Decke über den Fuß zog. Nicht mehr als das. Überhaupt nicht mehr. Ihm wurde warm, sein Herz schlug schneller, er spürte, wie seine Atmung sich veränderte. Schweiß trat ihm auf die Oberlippe, es kühlte sie angenehm, als er Luft durch die Nase ausstieß. Nur das Gelenk und den Fuß. Nichts anderes wollte er berühren. Das war seine Belohnung dafür, dass er den Indianern entkommen war. Dass er Timmie vor einem Schicksal bewahrt hatte, das schlimmer war als der Tod. Er ließ die Decke los und schlug mit dem Kopf hart gegen die Wand. Die dicken Styroporplatten fingen den Stoß ab. Immer und immer wieder ließ er den Hinterkopf gegen die Wand krachen. Wie dumm er doch war. Wie abstoßend. So würde Pan nicht denken. Das sollte nicht geschehen. Alles war sorgsam geplant, und er war drauf und dran, alles zu verpfuschen. Er hielt inne und warf einen Blick auf die Matratze, auf der die Tüte mit den Pillen lag. Er brauchte noch mehr. Für sich selbst. Für Timmie. Er verfluchte sich, nicht etwas von seinem Feenstaub mitgenommen zu haben. Seine selbst zusammengerührte Mixtur, die alle Kinder fliegen und lachen ließ. Er hatte Jahre gebraucht, um die richtige Zusammensetzung herauszufinden, und jetzt hatten sie sie ihm weggenommen. Er betrachtete Timmie, hörte seinen unregelmäßigen Atem. Wenn er ihm nur nicht zu viele Tabletten gegeben hatte. Bis zu seinem Geburtstag sollte er überleben. Dann würde er ihm nach Nimmerland folgen. Das hatte er verdient. Aber bis dahin war noch viel Zeit. Er ließ seinen Blick durch die Zelle wandern. Wasser war genug vorhanden. Auch Roggenbrot und Aufschnitt hatte er gekauft. Beides war in einem Plastikkasten direkt über ihm. Auch der in den Boden eingelassene Ventilator funktionierte ausgezeichnet, obwohl die Luft ein wenig abgestanden war. Alles war in Ordnung in ihrer kleinen Hütte. Nur sich selbst traute er nicht so richtig. Er brauchte Wendy möglichst bald. Auch wenn sie mit den Indianern gemeinsame Sache machte. Er beugte sich zu Timmie hinüber und vergewisserte sich, dass die Leine um seinen Hals fest mit dem Bolzen in der Wand verbunden war. Timmie würde die Toilette, den Wasserhahn, die Tüte mit den Lebensmitteln, aber nicht die Kajütentür erreichen können. Søren drehte sich um und krabbelte zur Tür.
    Für einen Augenblick betrachtete er Timmie voller Zärtlichkeit. Dann schloss er die Tür hinter sich.
     
    Stig verfrachtete den letzten Koffer in Majas Wagen. Er drehte sich lächelnd zu ihr um. »Ich habe eine SMS von meinem Bruder bekommen. Er und der Schmied freuen sich schon total, uns zu sehen.«
    »Wie schön«, entgegnete Maja und versuchte zu lächeln. Die beiden Riesen waren der einzige Lichtblick in der trüben norwegischen Küstenstadt, die sie ansteuerten.
    Sie drehte sich zu ihrem Haus um. Die Nachmittagssonne zog lange Schatten durch den Vorgarten, die Blätter der Bäume wiegten sich in der sanften Brise. Sie betrachtete die weiße Holzbank, die an der Hausmauer stand. Hier war alles so idyllisch. Eine bleibende Kindheitserinnerung. Sie hätte die Tour am liebsten abgeblasen. Es war falsch, sich aus dem Staub zu machen. Sie sollten hierbleiben und ihr Heim verteidigen. Andererseits wusste sie, dass ihre Entscheidung richtig war. Auch wenn die Polizei sie rund um die Uhr bewachte, wäre es unverantwortlich gewesen, etwas zu riskieren. Sie hoffte nur, dass sie Søren Rohde so schnell wie möglich schnappen würden. Dann würden sie und Stig auf der Stelle zurückkehren.
    Auch wollte sie nicht zu lange ihrer Praxis fernbleiben. Die Ferienzeit war bald vorbei, und danach würden die Patienten bei ihnen Schlange stehen. Skouboe hatte sich wie immer sehr verständnisvoll gezeigt. Er und Alice wären ansonsten zu ihrem alljährlichen Segelurlaub durch das südfünische Inselparadies aufgebrochen. Nun war sie es, die mit der Oslofähre aufs Meer hinausgeschickt wurde.
    Sie setzten sich ins Auto, woraufhin sie den Beamten an der Straße ein Zeichen gab, dass sie bereit waren. Ihre Eskorte bestand aus zwei zivilen Polizeiwagen. Einer vor ihnen und einer nach ihnen. Tom Schæfer saß im vorderen Wagen und führte ihre Kolonne auf dem Weg zur Fähre an. Ein Stück die Straße hinunter passierten sie den Vorsitzenden der Bürgerwehr, der gerade seinen Bernhardiner ausführte. Stig winkte, der Vorsitzende nickte zurück. Er schien enttäuscht über ihre Abreise

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