Die Geisel
Tom.
»Dass er wieder anruft …«
29
Im Konferenzraum der Mordabteilung roch es säuerlich nach Schweiß und abgestandenem Kaffee, nachdem man ihn zur Kommandozentrale in Sachen Søren Rohde umfunktioniert hatte. Es herrschte eine drangvolle Enge. Katrine und ihr Stab arbeiteten mit den Leitern der Einsatztruppe, des Bereitschaftskommandos, der Hundepatrouille und der Verkehrspolizei zusammen, die jeweils noch einen Berater zur Seite hatten. An den Computern und Telefonen herrschte hektisches Treiben.
Die Telefongesellschaft TDC hatte Sørens Anruf in einem Wohngebiet in unmittelbarer Nähe zum Fähranleger lokalisiert. Doch jetzt, vier Stunden später, wurde die Spur langsam kalt.
»Tempo, Jungs, Tempo!« Katrine klatschte ungeduldig in die Hände und blickte in die Runde. »Auch wenn er sich Peter Pan nennt, kann er ja nicht einfach weggeflogen sein, verdammt! Macht euren Leuten Beine da draußen, irgendjemand muss ihn doch gesehen haben. Erwartet nicht, dass er wieder anruft. Wir werden ihn finden.«
Niemand entgegnete etwas, doch schienen Katrines Worte alle zu motivieren, ein wenig schneller zu arbeiten.
Maja und Stig saßen am Ende des Raumes. Neben ihnen hing eine große Bezirkskarte an der Wand. Mit Rotstift waren die Orte markiert, an denen die toten Jungen gefunden worden waren. Daneben hingen Tafeln, an denen Fotos dieser Orte sowie der Opfer angebracht waren. Auf der letzten Tafel waren Fotos von Sørens Wohnung zu sehen. Sie zeigten Details von allen Räumen sowie einige der darin gefundenen Gegenstände. Kinderpornographische Hefte, Handschellen, Peitschen und ein kleines Chemielabor, mit dessen Hilfe er seine Substanzen hergestellt hatte.
Maja betrachtete Katrine und die übrigen Beamten. Sie sahen aus, als hätten sie seit Monaten nicht geschlafen. Ihre Kleider waren zerknittert, ihre Blicke abgestumpft. Sie wirkten wie Junkies auf Amphetamin. Jeder roch inzwischen nach dem Schweiß seiner Kollegen. Maja befand sich im Herzstück der Fahndung. Hier wurden Søren Rohdes Verbrechen bis ins kleinste Detail analysiert. Sie schauderte.
Ein junger Kommissar mit Headset drehte sich zu Katrine um. »Die Reederei will wissen, wann das Schiff ablegen darf.«
»Wir können uns wohl nicht erlauben, das noch allzu lang aufzuschieben. Aber sag Asmussens Leuten an Bord, dass ich jede Stunde einen Bericht haben will«, antwortete Katrine mit Schärfe in der Stimme und starrte ihn eindringlich an. Der Kommissar nickte.
In diesem Moment betrat ein Mann mittleren Alters in einem abgewetzten Cordanzug den Raum. Er ging zu Katrine und gab ihr die Hand. »Asger Samuelsen, Kriminalpsychologe.«
Katrine stellte ihn Maja vor. »Herr Samuelsen wird die Verhandlungen führen und hat sich schon bei vielen Geiselnahmen bewährt.«
»Ich möchte Ihnen helfen, falls Søren Rohde noch mal anrufen sollte.«
Maja nickte bedrückt.
»Ich kann auch gleich ans Telefon gehen, wenn Sie nicht ein weiteres Mal mit ihm sprechen möchten«, fügte er hinzu und setzte sich neben sie.
»Danke, aber wäre es nicht das Beste, wenn ich rangehe?«, erkundigte sich Maja.
Asger Samuelsen nahm seine Brille ab und putzte sie mit einem Hemdzipfel.
»Natürlich … Wenn Sie den Mumm dazu haben. Alles andere könnte er als Verrat auffassen.«
»Traust du dir das zu?«, fragte Katrine rasch.
Maja nickte. »Ja, das tue ich. Es gibt da nur eine Sache, über die ich nachgedacht habe …«
»Und die wäre?«, fragte Asger. »Er sprach von einer Person namens Hook - jemand, der Timmie Böses will. Was tun wir, wenn der anruft?«
Asger sah Katrine fragend an.
Sie zuckte die Schultern. »Laut der Spurensicherung deutet nichts auf einen Komplizen hin. Wenn, dann existiert der nur in seinem Kopf. Wenn also jemand anruft, dann nur er selbst.«
Asger betrachtete Majas iPhone, das mit der polizeieigenen Telefonanlage verbunden war, so dass Katrine, Asger und die Einsatzleiter eventuelle Gespräche via Headset mithören konnten, während sie zugleich von einem Techniker aufgezeichnet wurden.
Asger lächelte Maja an. »Es ist wichtig, dass Sie ihm nicht widersprechen. Er soll sich bei Ihnen sicher fühlen.«
Maja nickte. »Ja, natürlich.«
»Versuchen Sie auch, ihn so lange wie möglich in ein Gespräch zu verwickeln, damit die Techniker genug Zeit haben, ihn zu lokalisieren. Aber was das Wichtigste ist …« Asger sah sie eindringlich an. »Bringen Sie die Sprache immer wieder auf Timmie. Erwähnen Sie oft Timmies Namen, das schafft eine
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