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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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emotionale Verbindung zu ihm. Wir müssen versuchen, Sørens Empathie für sein Opfer zu wecken, damit es für ihn schwerer wird, ihm etwas anzutun.«
    »Hoffen wir, dass es funktioniert«, entgegnete Maja dumpf und blickte zu Boden.
    In diesem Moment klingelte ihr Telefon. Die Gespräche im Raum verstummten sofort. Alle starrten auf Majas blinkendes Telefon. Katrine setzte ihr Headset auf. »Nimm du lieber ab«, sagte sie zu ihr.
    Maja nickte und streckte die Hand aus. Sie schaute auf das Display und erkannte die Nummer. »Ist nur meine Mutter«, sagte sie und hob entschuldigend die Schultern. »Ich muss rangehen, sonst wird sie es immer wieder versuchen.«
    Katrine nickte und nahm ihr Headset wieder ab. Alle kehrten zu ihrer Arbeit zurück.
     
    Stunden vergingen, ohne dass Søren sich meldete. Maja schaute ein weiteres Mal auf die Uhr. Fast zehn. Walnuss ließ ihr keine Ruhe. Sie richtete sich in ihrem Stuhl auf. Ihr Rücken und ihr Hintern waren schweißnass. Sie brauchte ein Bad, musste sich hinlegen, bis alles überstanden war. Stig legte ihr den Arm um die Taille und strich ihr über das Haar.
    Sie begann zu zweifeln, ob Søren sich noch mal melden würde, und blickte zu Asger.
    »Wie lange dauert so etwas normalerweise?«
    Er schob die Unterlippe vor. »Ich glaube, ich verstehe nicht ganz.«
    »Wie lange dauert es normalerweise, bis so jemand zurückruft?«
    Asger schaute sie lange an, ehe er antwortete. »Um ehrlich zu sein, haben wir noch nie etwas Vergleichbares erlebt.«
    »Okay«, sagte sie. Sie hatte gehofft, sie hätten mehr Erfahrung mit solchen Fällen. Vielleicht hatte Søren gar nicht vor, noch einmal anzurufen. Es konnte andere Gründe haben, warum er sich bei ihr gemeldet hatte. Mit dem Anruf hatte er ihre Flucht erst mal gestoppt. Wollte sie dazu verleiten, in die Gegend ihrer Kindheit zurückzukehren. In seine Arena. Fragte sich nur, warum. Er hatte sie gebeten, nicht die Polizei zu verständigen, obwohl er ihre Eskorte gesehen hatte. Was bezweckte er damit? Wollte er sie alle in Schach halten, während er mit Timmie zusammen war?
    Ein uniformierter Beamter betrat mit einem Stapel Pizzakartons den Raum. Ein zufriedenes Murmeln seiner Kollegen ging durch den Raum, als er die Pizzas austeilte. Das hatte Maja noch gefehlt. Der schale Geruch nach Käse und Schinken bereitete ihr bereits Übelkeit. In diesem Moment meldete sich ihr Handy. Es wurde totenstill im Raum.
    Maja sah auf das Display. Die Rufnummer war unterdrückt. Ihr schnürte sich die Kehle zusammen. Katrine setzte ihr Headset auf und gab Maja ein Zeichen, dasselbe zu tun. Maja drückte sich den Knopf ins Ohr und nahm den Anruf entgegen, indem sie in das Mikrofon vor ihrem Mund sprach. »Hallo …«
    Am anderen Ende war es still. Sie schaute unsicher zu Asger und Katrine. Asger nickte ihr auffordernd zu.
    »Hallo?«, fragte Maja erneut.
    Sie hörte jemanden schwer atmen. »Mit wie vielen Leuten sitzt du gerade zusammen?« Sie erkannte Sørens Stimme und das Geräusch seiner knirschenden Zähne.
    Katrine machte eine abwehrende Handbewegung.
    »Ist das so wichtig?«, fragte Maja.
    »Wenn wir dieses Gespräch fortsetzen sollen, ja.«
    »Zehn, elf Leute.«
    »So viele! Ich könnte darauf wetten, dass Tigerlilly neben dir sitzt«, sagte er und knirschte mit den Zähnen. »Sollte die nicht lieber unterwegs sein und Verbrecher jagen? Nach bösen Männern Ausschau halten?«
    Maja warf Katrine einen Blick zu, die angespannt lauschte, während sie mit dem Kugelschreiber auf den Block tippte, der vor ihr lag.
    »Sie ist hier … um zu helfen.«
    »Ja, bestimmt«, kicherte er. »Aber das spielt auch keine Rolle, denn es steht geschrieben: ›Die verlorenen Jungen hielten nach Pan Ausschau. Die Seeräuber hielten nach den verlorenen Jungen Ausschau. Die Indianer hielten nach den Seeräubern Ausschau, und die Tiere hielten nach den Indianern Ausschau. So gingen sie auf der Insel umher, doch sie begegneten sich nie, weil …‹«
    »Weil alle gleich schnell gingen«, fuhr Maja fort.
    Søren lachte gedämpft. »Du kennst deinen Peter Pan.«
    »Ja, inzwischen … Geht es Timmie gut?«
    »Warum sollte es ihm nicht gut gehen?«, murrte Søren.
    Majas Blick flackerte. Sie räusperte sich. »Es hörte sich so an, als hätte er Probleme … Als wir das letzte Mal gesprochen haben.«
    »Haben wir das nicht alle?«
    Etwas in seiner Stimme hatte sich verändert. Er klang ein wenig berauscht, als stünde er unter dem Einfluss von Drogen. Sie tippte auf Schlaf-

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