Die Geisel
bestimmt diese hier.« Sie tippte auf eine bestimmte Stelle der Karte. »Hier ist der neunjährige Lasse umgekommen. Ab sofort behalten wir dort alles im Auge«, sagte Katrine ohne sich umzudrehen.
»Sind schon unterwegs«, bekam sie zur Antwort.
Der Einsatzleiter des Sonderkommandos kam zu Katrine. Er trug eine Kampfuniform, hatte einen überaus gepflegten Schnurrbart und einen Bürstenhaarschnitt. »Ganz in der Nähe der Bahnstation ist ein Einkaufszentrum.« Er zeigte es ihr auf der Karte. »Es liegt etwas erhöht, so dass man von dort aus einen guten Blick auf das Gebäude und die Bahnsteige hat. Der Bahnhof selbst hat zwei Eingänge: einen von der Hauptstraße und einen anderen, der zu diesem Park hier führt. Beide sind leicht zu observieren und abzuschirmen.« Er zeigte auf die Eingänge. »Hier drüben«, fuhr er fort, indem er auf ein paar Gebäude auf der anderen Seite vom Bahnhofsgelände zeigte, »ist die Feuerwache. Von der aus können wir in Ruhe arbeiten.«
»Gut, dann verlegen wir die Kommandozentrale in aller Diskretion dorthin«, sagte Katrine. »Fragen Sie an, ob uns zwei Fennec-Hubschrauber zur Verfügung gestellt werden. Der eine soll sich über Holmen bereithalten.«
Der Einsatzleiter lächelte und verließ den Raum.
Katrine drehte sich um. »Nehmen Sie Kontakt zur Dänischen Staatsbahn auf«, sagte sie zum Einsatzleiter des Bereitschaftskommandos. »Ich brauche die Fahrpläne sämtlicher Züge. Fragen Sie, ob es irgendwo Gleisarbeiten oder Verspätungen gibt, auch was die Regionalzüge betrifft. Unsere Leute sollen in der Zentrale auf ihren Einsatz warten. Ich will niemanden auf dem Bahnhof sehen. Er soll sich nicht unnötig unter Druck gesetzt fühlen. Stattdessen werden wir zivile Einsatzkräfte in den Zügen postieren, die mit Personenbeschreibungen von Timmie und Søren ausgestattet werden.«
»In Ordnung«, sagte der Einsatzleiter.
»Was ist mit den Schaffnern?«, wollte Tom wissen. »Sollten die nicht auch Personenbeschreibungen bekommen?«
Katrine schaute ihn ungläubig an. »Auf keinen Fall! Wir machen alles mit größter Diskretion. Ich will nicht, dass einer von denen meint, den Rambo spielen zu müssen. Und jetzt los!« Katrine klatschte in die Hände, um alle auf Trab zu bringen. Dann drehte sie sich zu Maja um. »Maja, wir wissen natürlich nicht, ob Søren das ernst gemeint hat und ob Timmie noch am Leben ist. Aber uns bleibt nichts anderes übrig, als uns auf sein Spiel einzulassen. Falls wir ihn nicht vorher in die Finger kriegen.«
Maja nickte. »Ich glaube, dass Timmie noch lebt.«
Katrine legte beide Hände auf die Tischplatte. »Ja, hoffen wir es. Die Frage ist, ob du dazu bereit bist … Timmie an der Bahnstation entgegenzunehmen.«
»Das …« Maja blickte rasch zu Stig hinüber. Dem stand die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben.
»Ich kann sehr gut verstehen, wenn du nicht willst. Dann besorgen wir eben ein Double.«
Katrine hörte sich verständnisvoll an, doch Maja kannte den haarfeinen Zug um ihre Mundwinkel nur allzu gut. Damit gab sie ihr zu verstehen, dass sie ihr die Sache nicht zutraute. Dass sie immer noch dasselbe Bild von ihr hatte wie damals in der Schule. Dass sie ein verzogenes Mädel aus reichem Haus war. Eine von denen, die sich aus allem herauswanden.
»Die Chance, dass er dort überhaupt auftaucht, ist sehr gering. Die Chance, dass sich Timmie in einem der Züge befindet, noch viel geringer«, fügte Asger hinzu, der keinen sehr überzeugenden Eindruck machte.
»Wie auch immer. Wenn er in einem der Züge ist, dann schnappen wir ihn uns, ehe er auch nur einen Fuß auf den Bahnsteig setzen kann«, sagte Katrine.
»Aber dann wird Maja doch gar nicht gebraucht«, wandte Stig ein, während sein Blick zwischen Katrine und Asger hin und her wanderte.
Katrine ging darauf nicht ein, sondern wandte sich wieder an Maja. »Man weiß nie genau, was in solchen Situationen passiert, aber fürs Erste ist es das Beste, wenn wir uns auf sein Spiel einlassen.«
»Außerdem habe ich versprochen, da zu sein«, entgegnete Maja.
»Verdammt, Maja!« Stig starrte sie sprachlos an.
»Wenn ihr beide das noch in Ruhe besprechen wollt, dann …« Wieder hatte Katrine diesen Zug um den Mund.
»Wenn ich irgendwie helfen kann, dass Timmie wieder nach Hause kommt, dann tue ich das natürlich.«
Katrine stieß sich mit beiden Händen von der Tischplatte ab. »Abgemacht. Dann nichts wie los.«
Maja nahm Stigs Hand und drückte sie zaghaft. »Mir wird nichts
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