Die Geisel
Holzelefanten Blasen warf, ehe sie in Flammen aufgingen.
»Was für ein schönes Feuer. Hast du es unter Kontrolle?«
Maja drehte sich um. Vor ihr stand Katrine. Sie sah völlig heruntergekommen aus. Die Ringe unter ihren Augen waren dunkel und tief, ihre Kleider zerknittert, als hätte sie darin geschlafen.
»Willst du mir einen Bußgeldbescheid aufbrummen?«, fragte Maja.
Katrine schüttelte den Kopf. Sie steckte die Hände in die Taschen und zog eine Schachtel Zigaretten heraus. »Ich hab bei euch an die Tür geklopft, aber es war keiner da.«
»Nein, im Moment ist es hier ziemlich still«, entgegnete Maja und drehte sich zum Feuer um.
Katrine stellte sich neben sie und zündete sich eine Zigarette an, während sie in die Flammen starrte.
»Und wie geht es dir?«
»Das sieht man doch, oder?«
Katrine nickte stumm. »Tut mir leid, dass ich nicht am Begräbnis teilnehmen konnte. Aber ich stand gerade unter großem Zeitdruck.«
Das klang wie eine schlechte Entschuldigung, dachte Maja, sagte aber nichts dazu.
»Ich habe gehört, dass der Polizeidirektor und der Bürgermeister da waren.«
Maja zuckte die Schultern. »Ich habe nicht gesehen, wer alles da war.«
»Natürlich«, sagte Katrine und zog an ihrer Zigarette. »Ich habe eine Karte geschickt … Ich meine, wir alle zusammen, von unserem Dezernat …«
Maja drehte sich zu ihr um. »Wenn du gekommen bist, um dein schlechtes Gewissen zu beruhigen, dann vergiss es. Ich hatte bewusst eine Wahl getroffen. Das hat nichts mit dir oder irgendjemandem sonst zu tun.«
Katrine schnippte die Asche von ihrer Zigarette. »Ich habe kein schlechtes Gewissen.«
»Warum bist du dann gekommen?«
Sie zögerte mit einer Antwort. »Weißt du, wer heute Geburtstag hat?«
Maja starrte wieder ins Feuer.
»Glaubst du, das interessiert mich?«
»Timmie.«
»Du meinst, heute wäre Timmies Geburtstag gewesen.«
Katrine schüttelte den Kopf. »Wir haben ihn immer noch nicht für tot erklärt.«
»Dann solltest du dich schnellstens wieder an deine Arbeit machen und das ganze Bahngelände noch mal gründlich unter die Lupe nehmen.«
»Das haben wir schon getan, genauso wie das Moosgebiet, den Wald, die Parks, verlassene Fabrikgebäude und Schrebergärten … Wir haben jeden Schuppen inspiziert und jeden Stein in den Gegenden umgedreht, in denen sich Søren schon mal aufgehalten hat.« Sie zuckte bedauernd die Schultern. »Aber von Timmie keine Spur.«
»Ich verstehe nicht, was das mit mir zu tun hat«, sagte Maja und leerte ihr Glas.
Katrine betrachtete sie lange, ehe sie antwortete. »Søren, unser aller Peter Pan, behauptet, dass Timmie noch lebt.«
Als Maja Sørens Namen hörte, ballte sie instinktiv die Hand. »Warum fragst du ihn nicht einfach nach der Adresse?«
»Du kannst mir glauben, dass ich das getan habe, immer und immer wieder.«
»Und?«
»Er will sie uns nicht sagen. Wir sind, wie er sich ausdrückt, feige Rothäute. Die Einzige, der er Timmies Versteck von Angesicht zu Angesicht mitteilen will, bist du. Aber nur heute, an Timmies Geburtstag.«
»Ich dachte, den Geburtstag haben wir schon gefeiert«, entgegnete Maja. Sie biss sich von innen in die Wangen, um ihre Tränen zurückzuhalten.
»Er meint anscheinend, dass euch seine Verhaftung dazwischengekommen ist.«
»Sag ihm, dass ich kein Interesse habe«, erwiderte Maja.
»Und was ist mit Timmie?«
»Glaubst du ihm etwa? Nach allem, was er getan hat?« Sie warf entnervt die Arme in die Luft.
»Es ist zumindest eine Chance«, antwortete Katrine.
»Glaub mir, Timmie ist tot. Keiner, der mit Søren zusammen ist, überlebt lange.« Sie warf ihr Glas in die Flammen.
Katrine betrachtete sie. »Ich … Ich wäre nicht gekommen, wenn ich nicht glauben würde, dass wir noch eine Chance haben, Timmie zu finden …«
Maja blieb stumm.
»Vielleicht hast du Recht. Vielleicht lebt er nicht mehr. Aber es würde seinen Eltern und Geschwistern ihren Seelenfrieden zurückgeben, wenn sie … wenn sie Timmie begraben könnten.« Katrine atmete tief durch. »Es dauert nur dreißig Sekunden. Wir gehen zu ihm rein. Er sagt dir, wo Timmie ist. Dann gehen wir wieder raus.«
Maja warf ihr einen kühlen Blick zu. »Hast du schon immer gewusst, wie du deinen Willen bekommst? Wie du andere Leute manipulieren kannst?«
Katrine zuckte die Schultern.
»Für dich ist es nur ein weiterer Fall, den du lösen musst, stimmt’s?«
»Willst du mit ihm reden?«
Maja schaute sie durchdringend an. »Ich rede mit ihm. Und
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