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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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Wohnzimmer. Er stand vor dem Fernseher und zappte, die eine Hand in der Hosentasche, wahllos von Sender zu Sender. Als sie sich an ihn schmiegte, nahm er wie automatisch die Hand aus der Tasche und legte sie Maja um die Hüfte, zappte jedoch weiter. Sie spürte seine Distanz.
    »Wollen wir ins Bett gehen?«, fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich bleibe noch ein bisschen auf.«
    »Ich brauche deine Nähe.«
    Er legte die Fernbedienung weg und legte beide Arme auf ihre Schultern. Doch fühlten sie sich seltsam schlaff an. Sie versuchte, sich an ihn zu drücken, suchte nach einer Sicherheit, die sie nicht fand. Seine Tränen fielen auf ihr Haar und liefen ihre Stirn hinunter. Sie spürte, dass er seine Tränen zurückhalten wollte, und blickte zu ihm auf.
    »Entschuldige«, sagte er und trocknete sich die Augen.
    »Du musst dich doch nicht entschuldigen.«
    »Doch, es tut mir leid, dass ich so abwesend bin.«
    Sie strich ihm über den Kopf und lächelte vorsichtig. »Wir müssen beide versuchen, füreinander da zu sein.«
    Er ließ sie los und trat einen Schritt zurück. »Das wird vermutlich nicht so einfach werden.«
    »Wie meinst du das?«
    Er blickte zu Boden, während er versuchte, sich zu sammeln. »Ich glaube, ich bin viel zu wütend auf dich, um das zu schaffen.«
    Sie schaute ihn verblüfft an. »Wütend?«
    Er sah ihr in die Augen. »Ich weiß, dass das ungerecht ist. Ich weiß, dass dieser Psychopath vermutlich immer noch frei herumlaufen und weitere Morde planen würde, wenn du nicht gewesen wärst. Aber es fällt mir schwer, dir zu verzeihen.«
    »Was verzeihen?«, fragte sie leise, obwohl sie die Antwort kannte.
    »Dass du nicht aufgepasst hast. Dass du trotz meiner Bitten und Warnungen da hingegangen bist.«
    Sie schaute ihn verzweifelt an. »Glaubst du nicht, dass ich das selbst am allermeisten bereue? In jeder einzelnen Sekunde.«
    Er nickte. »Das weiß ich. Aber irgendwie ist es ohne Bedeutung für mich. Alles hat seine Bedeutung verloren.«
    Er drehte sich um und verschwand in seinem Arbeitszimmer. Sie sah zur Tür, die sich langsam schloss.
    Sie ging ins Badezimmer im ersten Stock und ließ sich Badewasser einlaufen. In ihrer Handtasche war das Gläschen mit Rohypnol-Tabletten. Sie betrachtete zweifelnd seinen Inhalt. Für einen Selbstmord würde die Menge nicht ausreichen. Sie schluckte drei Tabletten, schloss die Augen und ließ sich vom Wasser umschließen. Am Fußende tropfte es aus dem Hahn. Unter der Oberfläche klang es wie ein leises Murmeln.
     
    Timmie betrachtete die verschlossene Tür mit den weißen Styroporplatten. Er hatte schon versucht, dorthin zu gelangen, aber die Schlinge um seinen Hals ließ das nicht zu. Er zog hart an der Spectraleine, die an einem Bolzen in der Rückwand der Kajüte befestigt war. Der Bolzen saß sehr fest. Er riss weiter an der Leine, bis sie vibrierte und seine Handflächen brannten. Aber es nützte nichts. Er begriff nicht, wie eine so dünne Leine so stark sein konnte. Er ließ die Leine los und kroch zum Bolzen in der Wand. Die Leine war mit einem dicken Knoten festgemacht, der anschließend erhitzt worden und zu einem unauflöslichen Klumpen verschmolzen war. Er versuchte ihn vergeblich mit den Fingernägeln aufzukratzen. Dann biss er hinein, aber das war, als kaute man auf Stein. Timmie tastete zu der Schlinge, die um seinen Hals lag. Er suchte nach dem Knoten, der sie zusammenhielt. Als er ihn in seinem Nacken fand, fühlte er, dass er nicht dieselbe glatte Oberfläche hatte wie der andere Knoten. Vielleicht war dieser Knoten nicht zusammengeschmolzen? Seine Finger arbeiteten fieberhaft. Es war schwierig, wenn man nicht sehen konnte, was man tat. Timmie wurde immer verzweifelter. Er zerrte so hart an dem Knoten, dass ihm ein Fingernagel abriss. Als sich die Leine endlich ein wenig gelockert hatte, zog er daran. Im selben Moment spürte er, wie die Schlinge um seinen Hals sich zusammenzog. Verzweifelt versuchte er, sie zu lösen, aber das war unmöglich. Die Leine scheuerte an seiner Kehle, und er bereute bereits, an dem Knoten herumgefummelt zu haben. Aus Angst, sich selbst zu erdrosseln, gab er weitere Versuche auf.
    Timmie versuchte, seine rissigen Lippen zu befeuchten, aber sein Mund war völlig ausgetrocknet. In dem geschlossenen Raum war es brütend heiß. Er sah sich in der Kajüte um und entdeckte einen Plastikkasten, der in der Ecke stand. Neugierig krabbelte er zu ihm hin. Er öffnete den Deckel und sah, dass es eine Art

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