Die Geisel
Sie möchte Ihnen gerne helfen. Ihnen und Timmie. Damit alles ein Ende findet. Damit wir alle zur Ruhe kommen.«
Søren hob langsam den Kopf und sah Maja in die Augen. Sein Blick war fest.
»Versuchen die auch, dich um den Finger zu wickeln, wenn sie dich nicht mit ihren Stöcken schlagen?«
»Søren, seien Sie so gut und erzählen Sie ihr, wo Timmie ist«, sagte Claus. »Danach dürfen Sie sich eine ganze Stunde lang auf der Bank ausruhen, wie wir verabredet haben. Können all den Geräuschen vom Tivoli lauschen, wie Sie das wollten.« In der Ferne hörte man ausgelassenes Juchzen.
»Hast du gemerkt, Wendy, dass Claus zu seinen Patienten spricht, als wären sie Kinder? Heißt das, dass er mit seinem Sohn spricht wie mit einem Patienten? Erschreckend, oder?« Søren knirschte wieder mit den Zähnen.
Maja antwortete ihm nicht.
Søren blickte zu Claus hinüber. »Wann hat der kleine Andreas noch gleich Geburtstag? Ist das nicht der Einundzwanzigste? Das ist ja schon ganz bald.«
Claus ballte die Fäuste. »Sie …« Er hielt inne und setzte sich wieder.
»Erzähl uns jetzt, wo Timmie ist«, sagte Katrine.
Søren würdigte sie keines Blickes. Stattdessen sah er wehmütig zu Maja. »Es tut mir schrecklich leid, dass du deinen Sohn verloren hast. Das hast du nicht verdient.«
Sie spürte ihren Hass auf ihn und wandte rasch den Blick ab.
»Aber so was passiert eben, wenn die sich einmischen.« Er zeigte mit dem Kopf auf Katrine und die anderen. »Ich habe es damals ernst gemeint, und ich meine es auch heute noch ernst. Du sollst auf Timmie aufpassen.«
»Dann sag uns, wo er ist«, sagte Katrine.
Søren legte arrogant den Kopf auf die Seite, während er Katrine musterte. »Du bist nicht besonders klug, oder? Hast du ihn deshalb nicht selber gefunden?«
Katrine schaute kühl zurück.
»Liegst du nachts wach und fragst dich, ob du das alles hättest verhindern können, Frau Polizeirätin? Denkst du daran, dass alle Jungen noch am Leben sein könnten, wenn du etwas begabter und weniger … emotional wärst?«
»Ich frage mich nur, wo Timmie ist.«
Er schnaubte verächtlich. »Ich habe doch gesagt, dass ich das nur Wendy unter vier Augen verrate. Was sie danach tut, liegt in ihrer Verantwortung.«
»Das kommt überhaupt nicht infrage. Entweder du sagst es jetzt, oder dein Hofaufenthalt ist zu Ende. Und weitere wird es nicht geben. Glaub mir: Ich kann dich aus Sicherheitsgründen auch rund um die Uhr in eine Zwangsjacke stecken.« Ihre Augen blitzten.
»Vielleicht sollten wir uns kurz besprechen«, sagte Tom Schæfer, sah zuerst den Polizeidirektor und dann Sørens Verteidiger an.
Der Polizeidirektor nickte nachdenklich.
»Ticktack, wie die Zeit vergeht, während ihr redet«, sagte Søren. »Und währenddessen liegt der arme kleine Timmie einsam und verlassen da.«
Katrine wandte sich an die anderen drei und schüttelte den Kopf.
»Es gibt keinen Grund, Maja allein mit ihm reden zu lassen. Entweder sagt er es jetzt oder …«
»Versprechen Sie, mir zu sagen, wo Timmie ist?«, fragte Maja.
Alle Blicke richteten sich auf sie.
Søren schluckte und lächelte dankbar. »Ich schwöre …«
Maja wandte sich an Katrine. »Dann lass mich mit ihm allein reden.«
Katrine sah sie ernst an. »Bist du sicher?«
Maja nickte.
»Stellt ihn an die Mauer«, sagte Katrine zu den Wächtern, »dann gehen wir hinein.«
Die beiden Wächter umfassten Sørens Arme und trugen ihn fast zur Wand, wo sie ihn mit dem Gesicht zur Mauer abstellten.
»Und ihr kettet ihn an der Bank fest, ehe wir wieder rauskommen, habt ihr das verstanden?«
»Ja«, antworteten die Wächter.
Katrine schaute Maja eindringlich an. »Egal, was er sagt. Egal, was er dir verspricht. Ganz gleich, wie sehr er dich provoziert. Du hältst jederzeit drei Meter Abstand zu ihm, verstanden? Drei!«, wiederholte sie und hielt Maja drei Finger vors Gesicht.
Maja nickte.
Søren saß wie festgenagelt auf der Bank, ohne die geringste Bewegungsmöglichkeit. Die Wächter hatten ihn mit breiten Riemen an der Bank fixiert, die hinter seinem Rücken mit Schlössern gesichert waren. Auch seine Arme und Beine konnte er nicht bewegen. Nur sein Kopf pendelte apathisch vor und zurück. Maja stand genau drei Meter vor ihm und betrachtete ihn nervös.
Sie wusste, dass Katrine und die Wächter unmittelbar hinter der Tür warteten. Ein einziger Ruf genügte, und sie würden ihr sofort zur Hilfe eilen. Dafür hatten sie keine Möglichkeit, ihrem Gespräch zu lauschen. Sie
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