Die Geisel
danach will ich weder ihn noch dich jemals wiedersehen.«
»Abgemacht.«
Katrine startete ihren schwarzen Ford Mondeo. Abgesehen vom knisternden Polizeifunk war es vollkommen still im Wagen. Als sie die Umgehungsstraße erreichten, bog sie nach einer Weile in Richtung Zentrum ab. Maja schaute rasch über die Schulter.
»Ich dachte, wir fahren in die andere Richtung. Ist er nicht in der geschlossenen Psychiatrie?«
Katrine schüttelte den Kopf. »Das Risiko wäre zu groß. Es gibt einfach zu viele, die unbedingt zu ihm wollen, um ihm die Meinung zu geigen.« Sie fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Kehle.
»Warum isoliert ihr ihn nicht einfach von den anderen Gefangenen?«, fragte Maja.
»Ich rede nicht nur von den Insassen.«
Katrine warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel, ehe sie auf die Überholspur wechselte. Sie drückte das Gaspedal durch, der Motor heulte mit einem Ruck auf.
»Wo haltet ihr ihn versteckt?«
»Dort, wo wir ihn vierundzwanzig Stunden am Tag im Auge behalten. Wo er ständig von Wachleuten umgeben ist, selbst bei seinen Spaziergängen.«
Fünfzehn Minuten später schwenkten sie auf den Parkplatz des Kopenhagener Polizeipräsidiums ein. Das monumentale Gebäude türmte sich vor ihnen auf. Katrine strebte auf den Hintereingang zu.
Ein Beamter nahm sie in Empfang und begleitete sie nach drinnen.
Die Luft in den langen dunklen Gängen stand still. Die hohe marmorierte Wandtäfelung erinnerte an ein Mausoleum. Maja folgte dem Beamten und Katrine dicht auf. Das Geräusch der Schritte und Stimmen pflanzte sich in dem gewundenen Gang fort wie ein unverständliches Flüstern, das an- und abschwoll. Maja fühlte sich unwohl und spürte, wie die Panik langsam von ihr Besitz ergriff. Sie bereute bereits, dass sie sich darauf eingelassen hatte, Søren noch einmal zu begegnen. Sie wusste nicht, ob sie die Konfrontation durchstehen würde.
Als sie zur Sicherheitsverwahrung kamen, musste sie sich in ein Buch eintragen. Der Wachmann, der breit wie ein Ochse war und durch seine schiefe, vermutlich einmal gebrochene Nase sprach, forderte sie auf, ihre Taschen zu leeren und ihre Tasche abzugeben.
Danach führte er sie zu den Zellen. Maja legte den Kopf in den Nacken. Durch das Gitternetz über sich konnte sie die Zellentrakte der verschiedenen Stockwerke sehen. »Ich wusste gar nicht, dass sich hier drin auch ein Gefängnis befindet.«
»Das sicherste im ganzen Land«, erklärte der Wächter stolz. »Fünfundzwanzig Zellen, verteilt auf vier Stockwerke. Im Moment sitzen hier zwölf hochgefährliche Verbrecher ein. Inklusive Ihres Banditen.«
Er lächelte verschmitzt und stemmte die Hände in die Hüften.
Katrine warf ihm einen kühlen Blick zu. »Sie können Ihre Führung jetzt beenden und uns direkt zu ihm nach oben bringen.«
Der Wächter nickte verlegen. Ohne ein weiteres Wort führte er sie die Eisentreppe bis zur obersten Etage hinauf. Auf halbem Weg blieb Maja stehen. Die Stiche, mit denen sie nach ihrer Geburt wieder zusammengenäht worden war, bereiteten ihr plötzlich einen ziehenden Schmerz.
»Alles in Ordnung?«, fragte Katrine.
Maja antwortete nicht, sondern setzte sich langsam wieder in Bewegung. Auf der obersten Etage marschierten sie an der Reihe der Zellen entlang. Die dunkelgrauen Zellentüren mit den Messingscheiben vor den Gucklöchern sahen aus wie aus dem vorigen Jahrhundert. Nachdem sie an der letzten Zelle vorbeigegangen waren, sah sie Katrine fragend an. »Wo gehen wir eigentlich hin?«
»Auf den Hof«, antwortete sie.
Der Gefängniswächter öffnete die massive Eisentür vor ihnen. Dahinter lag einer der beiden Gefängnishöfe, die sich auf dem Dach des Gebäudes befanden. Der Hof war vierzehn Quadratmeter groß und von einer drei Meter hohen Mauer umgeben, auf der sich Stacheldraht türmte. In der Mitte stand eine grüne Kunststoffbank, die an den Betonboden geschraubt war. Kein Lufthauch regte sich, in der Ferne hörte man die Geräusche des Tivoli, der nur wenige hundert Meter vom Präsidium entfernt lag.
An der hintersten Wand standen vier Männer. Maja kannte sie alle. Außer Tom Schæfer waren der Polizeidirektor, der Staatsanwalt sowie Sørens Verteidiger zugegen. Es war derselbe Anwalt, der Thorbjørn Larsens Golf spielenden Patienten bei der Gegenüberstellung vertreten hatte. Neben dem Anwalt stand Claus Willum. Nachdem die anderen ihr die Hand gegeben hatte, kam er zu ihr.
»Was machst du hier?«, fragte sie leise.
»Willst du dich nicht
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