Die Geisha - Memoirs of a Geisha
mizuage kassieren können. Doch wenn mich diese beiden Männer anziehend genug fanden, könnte daraus ein Bietwettbewerb entstehen, der mich genauso in die Lage versetzen würde, meine Schulden zurückzuzahlen, wie wenn ich von Anfang an eine beliebte Lerngeisha gewesen wäre. Genau das hatte Mameha gemeint, als sie sagte, wir würden »Hatsumomo aus dem Gleichgewicht bringen«. Hatsumomo war hocherfreut, daß Nobu mich anziehend fand. Was sie nicht in Betracht zog, war die Tatsache, daß dies den Preis für meine mizuage wohl in die Höhe schnellen ließ.
Wir mußten Dr. Krebs’ Zuneigung zu mir unbedingt wiederbeleben. Ohne ihn konnte Nobu für meine mizuage bieten, was immer er wollte – das heißt, falls er daran überhaupt interessiert war. Ich war mir da nicht sicher, aber Mameha erklärte, daß kein Mann die Bekanntschaft einer fünfzehnjährigen Lerngeisha pflegte, wenn er nicht an ihre mizuage dachte.
»Daß es nicht deine Konversation ist, die ihn interessiert, steht ja wohl fest«, erklärte sie mir.
Ich versuchte so zu tun, als wäre ich davon nicht schmerzlich berührt.
20. KAPITEL
Rückblickend erkenne ich, daß dieses Gespräch mit Mameha mein Weltbild veränderte. Bis dahin hatte ich noch nichts von der mizuage gewußt, war ich noch immer ein naives kleines Mädchen gewesen, das nichts begriff. Von da an begann ich jedoch zu erkennen, was ein Mann wie Dr. Krebs sich von der vielen Zeit und dem vielen Geld versprach, das er in Gion ausgab. Sobald man derartige Dinge weiß, kann man sie nicht mehr vergessen. Und ich konnte ihn nie wieder so sehen wie früher.
Als ich später an jenem Abend wieder in der Okiya war, wartete ich in meinem Zimmer darauf, daß Hatsumomo und Kürbisköpfchen die Treppe heraufkamen. Als ich sie schließlich hörte, war es ungefähr eine Stunde nach Mitternacht. An der Art, wie Kürbisköpfchens Hände auf die Stufen klatschten – denn manchmal kam sie die steile Treppe auf allen vieren heraufgekrochen wie ein Hund –, erkannte ich, daß sie müde war. Bevor Hatsumomo die Tür ihres gemeinsamen Zimmers schloß, rief sie eine der Dienerinnen und bestellte sich ein Bier.
»He, warte mal!« sagte sie. »Bring lieber gleich zwei. Ich will, daß Kürbisköpfchen mittrinkt.«
»Bitte, Hatsumomo-san«, hörte ich Kürbisköpfchen sagen, »dann würde ich schon lieber Spucke trinken.«
»Aber du mußt mir vorlesen, während ich mein Bier trinke, da kannst du ebensogut auch eins trinken. Außerdem hasse ich es, wenn die Leute zu nüchtern sind. Das macht mich krank.«
Als die Dienerin nach einer Weile wieder heraufkam, hörte ich Gläser auf dem Tablett klirren, das sie in den Händen trug.
Eine ganze Zeitlang saß ich da, drückte das Ohr an meine Zimmertür und lauschte Kürbisköpfchens Stimme, während sie einen Artikel über einen neuen Kabuki-Schauspieler vorlas. Schließlich trat Hatsumomo schwankend auf den Flur hinaus und schob die Tür zu der Toilette im oberen Stockwerk auf.
»Kürbisköpfchen!« hörte ich sie rufen. »Hast du nicht auch Appetit auf eine Schale Nudeln?«
»Nein, Herrin.«
»Sieh zu, daß du einen Nudelverkäufer auftreibst. Und kauf auch für dich eine Portion, damit du mir Gesellschaft leisten kannst.«
Kürbisköpfchen seufzte, stieg aber gehorsam die Treppe hinab. Ich dagegen mußte warten, bis Hatsumomo in ihr Zimmer zurückgekehrt war, bevor ich ihr auf Zehenspitzen nachschleichen konnte. Womöglich hätte ich Kürbisköpfchen niemals eingeholt, aber sie war so erschöpft, daß sie höchstens so schnell gehen konnte, wie zäher Schlamm einen Abhang hinabrinnt, und mit ebensoviel Energie. Als ich sie schließlich einholte und sie mich sah, machte sie ein besorgtes Gesicht und fragte, was passiert sei.
»Nichts ist passiert«, antwortete ich, »ich wollte nur… ich brauche dringend deine Hilfe.«
»Ach, Chiyo-chan«, sagte sie zu mir – ich glaube, sie war der einzige Mensch, der mich immer noch so nannte –, »ich habe keine Zeit! Ich muß Nudeln für Hatsumomo suchen, und sie will mich zwingen, ebenfalls welche zu essen. Ich fürchte, daß ich sie von oben bis unten vollkotzen werde.«
»Armes Kürbisköpfchen«, sagte ich. »Du siehst aus wie Eis, das gerade zu schmelzen beginnt.« Ihre Gesichtszüge hingen müde herab, und das Gewicht ihrer schweren Kleider schien sie zum Erdboden hinabzuziehen. Ich sagte ihr, sie solle sich setzen, ich würde die Nudeln suchen und sie ihr bringen. Sie war so müde, daß sie nicht einmal
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