Die Geisha - Memoirs of a Geisha
er mich an einen Jungen erinnerte, der etwas unter dem Bodenbelag versteckt. Als wir an jenem Abend schließlich aufbrachen, war ich fest davon überzeugt, versagt zu haben und nie wieder etwas von ihm zu hören – denn normalerweise wird ein Mann, der sich so wenig amüsiert hat, niemals wieder nach Gion kommen. Wie sich jedoch herausstellte, sollten wir schon in der darauffolgenden Woche von Dr. Krebs hören, und in den folgenden Monaten in nahezu jeder einzelnen Woche.
Zunächst verlief alles glatt mit dem Doktor, bis ich an einem Nachmittag Mitte März etwas sehr Törichtes tat und dadurch fast Mamehas sorgfältige Planung zunichte gemacht hätte. Bestimmt hat so manche junge Frau sich ihre Aussichten im Leben verdorben, weil sie sich weigerte, etwas zu tun, was man von ihr erwartete, oder weil sie sich einem wichtigen Mann gegenüber schlecht benahm, aber der Fehler, den ich beging, war so trival, daß er mir nicht einmal bewußt war.
Es passierte eines eiskalten Tages im Verlauf einer kurzen Minute in der Okiya, nicht lange nach dem Mittagessen. Ich kniete mit meinem Shamisen auf dem hölzernen Verandagang, als Hatsumomo auf dem Weg zur Toilette an mir vorbeikam. Hätte ich Schuhe gehabt, so wäre ich, um ihr aus dem Weg zu gehen, auf den Hofkorridor hinuntergetreten. So aber konnte ich nichts weiter tun, als mich mit fast erfrorenen Armen und Beinen von den Knien hochzurappeln. Wäre ich schneller gewesen, hätte sich Hatsumomo vermutlich gar nicht dazu herabgelassen, mich anzusprechen. Doch während ich langsam auf die Füße kam, sagte sie:
»Der deutsche Botschafter kommt nach Gion, aber Kürbisköpfchen hat keine Zeit, ihn zu unterhalten. Du kannst ja Mameha bitten, dafür zu sorgen, daß du Kürbisköpfchens Platz einnimmst.« Dann stieß sie ein lautes Lachen aus, als sei die Vorstellung, ich könnte so etwas Absurdes tun, etwa so lächerlich wie der Versuch, dem Kaiser eine Schale voll Bucheckern vorzusetzen.
Zu jener Zeit – 1935 – erregte der deutsche Botschafter in Gion einiges Aufsehen. Kurz zuvor war in Deutschland eine neue Regierung an die Macht gekommen, und obwohl ich nie viel von Politik verstanden habe, weiß ich doch, daß sich Japan während dieser Jahre von den Vereinigten Staaten entfernte und darauf bedacht war, einen guten Eindruck auf den neuen deutschen Botschafter zu machen. In Gion fragten sich daher alle, wem die große Ehre zuteil werden würde, ihm bei seinem bevorstehenden Besuch Gesellschaft zu leisten.
Auf Hatsumomos Bemerkung hätte ich daher vor Scham den Kopf senken und lautstark den Unterschied zwischen meinem elenden Leben und dem ach so aufregenden von Kürbisköpfchen bejammern müssen. Zufällig hatte ich aber gerade darüber nachgedacht, wie sehr sich meine Aussichten doch verbessert zu haben schienen und wie erfolgreich Mameha und ich ihren Plan vor Hatsumomo geheimgehalten hatten – wie immer dieser Plan auch aussehen mochte. Mein erster Impuls war, Hatsumomos Worte mit einem Lächeln zu quittieren, statt dessen aber zwang ich mein Gesicht zu einer starren Maske und war ungeheuer zufrieden mit mir, weil ich nichts verraten hatte. Hatsumomo warf mir einen merkwürdigen Blick zu. In dem Moment hätte mir sofort klarwerden müssen, daß ihr ein Verdacht durch den Kopf schoß. Darauf trat ich hastig zur Seite, und sie ging vorbei. Damit war, was mich betraf, die Sache erledigt.
Einige Tage darauf besuchten Mameha und ich das Shirae-Teehaus, wo wir uns wieder einmal mit Dr. Krebs treffen wollten. Doch als wir die Tür aufschoben, standen wir vor Kürbisköpfchen, die gerade in ihre Schuhe schlüpfte, um das Haus zu verlassen. Ich war so verblüfft, daß ich mich fragte, was in aller Welt sie hergeführt haben mochte. Als dann auch Hatsumomo in die Eingangshalle herunterkam, wußte ich natürlich Bescheid: Hatsumomo hatte uns irgendwie überlistet.
»Guten Abend, Mameha-san«, grüßte Hatsumomo. »Und sieh mal an, wen wir da haben! Die kleine Lerngeisha, von der der Doktor so begeistert ist.«
Ich bin sicher, daß Mameha ebenso erschrocken war wie ich, aber sie ließ es sich nicht anmerken. »Nanu, Hatsumomo-san«, sagte sie. »Ich hätte dich fast nicht wiedererkannt… aber ich muß sagen, du alterst in Schönheit!«
Im Grunde war Hatsumomo noch nicht alt – höchstens acht- oder neunundzwanzig. Mameha wollte ihr nur irgend etwas Kränkendes sagen.
»Ich nehme an, ihr wollt zum Doktor«, sagte Hatsumomo. »Ein äußerst interessanter Mann! Ich hoffe
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