Die Geisha - Memoirs of a Geisha
aus der einmal im Monat das Blut kommt, wenn die ›Wolken am Mond vorüberziehen‹, wie wir zuweilen sagen.«
Ich war alt genug, um zu verstehen, was Mameha mit den Wolken meinte, die am Mond vorüberziehen, denn das kannte ich bereits seit einigen Jahren. Beim erstenmal hätte ich nicht panischer reagieren können, wenn ich geniest und Stückchen von meinem Gehirn im Taschentuch gefunden hätte. Ich hatte wirklich Angst gehabt, sterben zu müssen – bis Tantchen sah, wie ich einen blutigen Lappen auswusch, und mir erklärte, die Blutung gehöre zum Frausein dazu.
»Mag sein, daß du nichts von diesen Aalen weißt«, fuhr Mameha fort, »aber sie sind äußerst besitzergreifend. Wenn sie eine Höhle finden, die ihnen gefällt, zappeln sie eine Weile darin herum, um ganz sicherzugehen, daß… nun ja, um sicherzugehen, daß es eine schöne Höhle ist, nehme ich an. Und wenn sie ihnen dann gefällt, markieren sie die Höhle als ihr Territorium, indem sie… spucken. Hast du das verstanden?«
Hätte Mameha mir ganz einfach erzählt, was sie mir zu sagen versuchte, wäre ich sicher schockiert gewesen, aber wenigstens wäre es mir leichter gefallen, es einzuordnen. Jahre später fand ich heraus, daß Mameha von ihrer älteren Schwester mit fast genau den gleichen Worten aufgeklärt worden war.
»Und nun kommt der Teil, der dir sehr seltsam vorkommen wird«, fuhr Mameha fort, als wäre das, was sie mir bis dahin gesagt hatte, nicht schon seltsam genug gewesen. »Den Männern gefällt das alles sogar. Mehr noch, es gefällt ihnen sehr! Es gibt sogar Männer, die ihr ganzes Leben lang nichts anderes tun als nach immer neuen Höhlen für ihren Aal zu suchen. Und etwas ganz Besonderes ist für einen Mann die Höhle einer Frau, in der noch nie ein anderer Aal gewesen ist. Verstehst du? Das nennen wir mizuage.«
»Was nennen wir mizuage?«
»Wenn die Höhle einer Frau zum erstenmal vom Aal eines Mannes aufgesucht wird. Das heißt mizuage.«
Nun heißt mizu »Wasser«, und age heißt »erheben« oder »setzen, stellen, legen«, so daß der Ausdruck mizuage so klingt, als habe er etwas mit dem Aufsteigen von Wasser zu tun oder damit, daß man etwas auf das Wasser legt. Wenn man drei Geishas in einem Raum versammelt, wird jede von ihnen eine andere Geschichte davon erzählen, woher dieser Ausdruck kommt. Nun, da Mameha ihre Erklärung beendet hatte, war ich eigentlich noch viel verwirrter als zuvor, aber ich versuchte so zu tun, als klinge das alles durchaus logisch.
»Du kannst dir sicher denken, warum der Doktor gern in Gion ist«, fuhr Mameha fort. »In seinem Krankenhaus verdient er eine Menge Geld. Und bis auf das, was er braucht, um seine Familie zu ernähren, gibt er es für mizuage aus. Es dürfte dich interessieren, Sayuri-san, daß du genau die Art von jungem Mädchen bist, die er am höchsten schätzt. Ich muß es wissen, denn auch ich war eine von ihnen.«
Wie ich später erfuhr, hatte Dr. Krebs ein oder zwei Jahre vor meiner Ankunft in Gion eine Rekordsumme für Mamehas mi-zuage bezahlt – etwa sieben- oder achttausend Yen. Das scheint heute nicht sehr viel zu sein, aber damals war das ein Betrag, den selbst jemand wie Mutter – die doch immer nur an Geld dachte und daran, wie man noch mehr davon anhäufen konnte – höchstens ein- oder zweimal in ihrem Leben sah. Mamehas mizuage war zum Teil so kostspielig, weil sie so berühmt war, aber wie sie mir an jenem Nachmittag erklärte, gab es noch einen anderen Grund dafür: Zwei sehr reiche Männer hatten gegeneinander geboten, um ihr mizuage-Pate zu werden. Der eine war Dr. Krebs, der andere ein Geschäftsmann namens Fujikado. Normalerweise konkurrierten die Männer in Gion nicht auf diese Art, denn sie kannten einander und zogen es vor, sich gütlich zu einigen. Fujikado aber lebte am anderen Ende des Landes und kam nur gelegentlich nach Gion. Deswegen war es ihm gleichgültig, ob er Dr. Krebs beleidigte oder nicht. Und Dr. Krebs, der behauptete, aristokratisches Blut in den Adern zu haben, haßte Selfmademen wie Fujikado – obwohl er in gewissem Maß selbst einer war.
Als Mameha beim Sumo-Turnier bemerkte, daß Nobu von mir eingenommen zu sein schien, fiel ihr augenblicklich auf, wie sehr Nobu Fujikado ähnelte – ein Selfmademan, den Dr. Krebs abstoßend finden würde. Da Hatsumomo mich herumscheuchte wie eine Hausfrau die Kakerlaken, würde ich mit Sicherheit nicht so berühmt werden wie Mameha und infolgedessen keinen so hohen Beitrag für meine
Weitere Kostenlose Bücher