Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
Vom Netzwerk:
gehen wollten, benutzten sie nicht wie die Dienstboten den ungepflasterten Korridor im Freien, sondern die überdachte Veranda aus poliertem Holz, die an der Hauswand entlangführte. Sogar separate Toiletten gab es: eine obere für die Familie und eine untere für die Dienstboten.
    All diese Dinge entdeckte ich erst nach und nach, allerdings innerhalb weniger Tage. Aber ich blieb lange in dem Hofkorridor stehen und fragte mich, was für ein Ort dies sei; ich hatte fürchterliche Angst. Tantchen war in der Küche verschwunden und redete mit ihrer heiseren Stimme auf irgend jemanden ein. Schließlich kam dieser Jemand heraus. Es war ein Mädchen etwa in meinem Alter, das einen so randvollen Wassereimer trug, daß sie die Hälfte auf dem Boden verschüttete. Ihr Körper war schlank; ihr Gesicht aber war voll und fast genau kreisrund, so daß sie für mich aussah wie ein Kürbis auf einer Stange. Da sie sich schwer plagen mußte mit dem Eimer, hing ihr die Zunge aus dem Mund – wie der Stengel oben auf einem Kürbis. Bald sollte ich feststellen, daß das eine Angewohnheit von ihr war. Sie ließ die Zunge heraushängen, wenn sie in ihrer Misosuppe rührte, wenn sie Reis in eine Schale löffelte und sogar, wenn sie ihr Kleid zuband. Wegen dieses weichen, runden Gesichts und der Zunge, die einem Kürbisstengel glich, nannte ich sie bereits nach wenigen Tagen »Kürbisköpfchen«, und mit der Zeit wurde sie dann von allen so gerufen – sogar von ihren Kunden, als sie viele Jahre später Geisha in Gion war.
    Nachdem sie den Eimer neben mir abgestellt hatte, zog Kürbisköpfchen die Zunge ein und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Dabei starrte sie mich neugierig an. Ich dachte, sie wollte etwas sagen, aber sie fuhr nur fort, mich anzustarren, als müßte sie überlegen, ob sie mich vielleicht beißen sollte. Sie schien tatsächlich hungrig zu sein. Doch schließlich beugte sie sich vor und fragte mich flüsternd:
    »Wo in aller Welt kommst du denn her?«
    Ich hielt es für wenig hilfreich zu antworten, ich käme aus Yoroido, denn ihr Akzent war mir ebenso fremd wie der aller anderen. Ich war sicher, daß sie den Namen meines Dorfes nicht kennen würde. Statt dessen erklärte ich ihr, daß ich gerade angekommen sei.
    »Ich dachte, ich würde nie ein Mädchen in meinem Alter sehen«, sagte sie. »Aber was ist mit deinen Augen los?«
    In diesem Moment kam Tantchen aus der Küche und scheuchte Kürbisköpfchen davon. Sie nahm den Eimer und ein Tuch und führte mich zum Innenhof. Er war wundervoll moosbedeckt, Trittsteine führten zu einem Lagerhaus ganz hinten, doch wegen der Toiletten in dem kleinen Schuppen auf der einen Seite stank es dort ganz fürchterlich. Tantchen befahl mir, mich auszuziehen. Ich fürchtete, sie könnte so etwas mit mir tun wie die Zappelfrau, statt dessen goß sie mir einfach das Wasser über die Schultern und frottierte mich mit dem Tuch ab. Anschließend gab sie mir einen Kittel, der nichts weiter war als grob gewebte Baumwolle mit einem denkbar schlichten dunkelblauen Muster, aber immerhin weit eleganter als alles, was ich bis dahin getragen hatte. Eine alte Frau, die sich als die Köchin entpuppte, kam mit zwei älteren Dienerinnen heraus, um mich zu mustern. Tantchen sagte, sie würden noch eine Menge Zeit haben, mich anzustarren, und schickte sie dahin zurück, wo sie hergekommen waren.
    »Und nun hör zu, Kleine«, sagte Tantchen zu mir, als wir allein waren. »Vorerst will ich nicht mal deinen Namen wissen. Das letzte Mädchen, das hierherkam – Mutter und Großmama mochten sie nicht, deswegen blieb sie nur einen Monat. Ich bin zu alt, um immer wieder neue Namen zu lernen, ich warte, bis die sich einig sind, ob wir dich behalten.«
    »Was wird, wenn sie mich nicht behalten wollen?« erkundigte ich mich.
    »Es wäre besser für dich, wenn sie dich behielten.«
    »Darf ich fragen, Tantchen… Was ist dies für ein Ort?«
    »Eine Okiya«, antwortete sie. »Ein Haus, in dem Geishas wohnen. Wenn du sehr fleißig bist, wirst du eines Tages selbst eine Geisha werden. Aber wenn du mir nicht genau zuhörst, wirst du es nicht mal bis nächste Woche schaffen, denn gleich kommen Mutter und Großmama die Treppe herunter, um dich zu begutachten. Und es wäre besser, wenn ihnen gefällt, was sie sehen. Deine Aufgabe ist es, dich so tief zu verneigen, wie du nur kannst, und ihnen nicht in die Augen zu sehen. Die Ältere, die wir Großmama nennen, hat in ihrem ganzen Leben noch keinen Menschen gemocht,

Weitere Kostenlose Bücher