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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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anstarrte. Statt weiß und klar zu sein, waren die Augäpfel gräßlich gelb und erinnerten mich an eine Toilette, in die gerade jemand uriniert hat. Umrahmt wurden sie von geröteten Lidrändern, in denen sich milchige Flüssigkeit sammelte, und ringsherum sackte die Haut in tiefen Falten herab.
    Ich ließ meinen Blick zu ihrem Mund hinabwandern, der immer noch offenstand. Die Farben ihres Gesichts waren alle durcheinandergeraten: Ihre Augenränder waren so rot wie Fleisch, während Zahnfleisch und Zunge grau waren. Und um dem Grauen die Krone aufzusetzen, schien jeder einzelne ihrer unteren Zähne in einem kleinen Teich aus Blut im Zahnfleisch zu stecken. Wie ich später erfuhr, war dies auf irgendeinen Mangel in Mutters Ernährung während der letzten Jahre zurückzuführen; aber während ich sie so ansah, mußte ich unwillkürlich an einen Baum denken, der die Blätter verlor. Der Anblick insgesamt wirkte so abschreckend auf mich, daß ich wohl unwillkürlich zurückwich, ein erschrecktes Aufkeuchen ausstieß oder meinen Gefühlen sonstwie Ausdruck verlieh, denn plötzlich sagte sie mit ihrer rauhen Stimme:
    »Was starrst du mich so an?«
    »Ich bitte um Verzeihung, Herrin. Ich habe Ihren Kimono bewundert«, antwortete ich ihr. »Ich habe noch nie etwas so Schönes gesehen.«
    Das muß genau die richtige Antwort gewesen sein – wenn es denn überhaupt eine richtige Antwort gab –, denn sie stieß so etwas wie ein Lachen aus, obwohl es eher wie ein Husten klang.
    »So, so, er gefällt dir also«, sagte sie und hustete – oder lachte – weiter. »Hast du eine Ahnung, wieviel er gekostet hat?«
    »Nein, Herrin.«
    »Mehr als du, soviel steht fest.«
    Hierauf erschien die Dienerin mit dem Tee. Während sie servierte, nutzte ich die Gelegenheit, um einen verstohlenen Blick auf Großmama zu werfen. Während Mutter ein bißchen mollig war, mit dicken Fingern und einem fetten Hals, war Großmama alt und verschrumpelt. Sie war mindestens so alt wie mein Vater, doch sie sah aus, als hätte sie ihr Leben damit verbracht, in einem Zustand konzentrierter Gemeinheit vor sich hin zu schmoren. Ihr graues Haar erinnerte mich an ein Gespinst von Silberfäden, denn ich konnte direkt auf ihre Kopfhaut sehen. Und selbst ihre Kopfhaut wirkte wegen der großen roten und braunen Altersflecken abstoßend. Sie blickte nicht direkt finster drein, doch ihre Mundwinkel hingen wohl schon von Natur aus herab.
    Zur Vorbereitung holte sie ganz tief Luft, und nachdem sie wieder ausgeatmet hatte, murmelte sie: »Ich hab’ doch gesagt, ich will keinen Tee!« Dann seufzte sie, schüttelte den Kopf und fragte mich: »Wie alt bist du, kleines Mädchen?«
    »Sie ist im Jahr des Affen geboren«, antwortete Tantchen an meiner Statt.
    »Die dumme Köchin ist im Jahr des Affen geboren«, sagte Großmama.
    »Neun Jahre alt«, sagte Mutter. »Was hältst du von ihr, Tantchen?«
    Tantchen trat vor mich hin und bog meinen Kopf zurück, um mir ins Gesicht zu sehen. »Sie hat sehr viel Wasser.«
    »Schöne Augen«, stellte Mutter fest. »Hast du sie gesehen, Großmama?«
    »Sie ist dumm«, behauptete Großmama. »Außerdem brauchen wir hier nicht noch einen Affen.«
    »Du hast bestimmt recht, Großmama«, sagte Tantchen. »Vermutlich ist es so, wie du sagst. Aber ich halte sie für ein kluges Mädchen – und anpassungsfähig, das sieht man an der Form ihrer Ohren.«
    »Bei soviel Wasser in ihrer Persönlichkeit«, warf Mutter ein, »wird sie vermutlich ein Feuer wittern können, bevor es ausbricht. Wäre das nicht schön, Großmama? Dann brauchst du dir keine Gedanken mehr darüber zu machen, daß unser Lagerhaus mit all unseren Kimonos abbrennen könnte.«
    Großmama hatte, wie ich noch erfahren sollte, mehr Angst vor dem Feuer als Bier vor einem durstigen alten Mann.
    »Jedenfalls ist sie recht hübsch, findest du nicht?« setzte Mutter hinzu.
    »Es gibt viel zu viele hübsche Mädchen in Gion«, sagte Großmama. »Was wir brauchen, ist ein intelligentes Mädchen, kein hübsches. Diese Hatsumomo ist wirklich sehr hübsch, aber seht euch an, wie dumm sie ist!«
    Mit Tantchens Hilfe stand Großmama auf und kehrte über den Verandagang ins Haus zurück. Kurz darauf hörte ich, wie in der vorderen Eingangshalle eine Tür auf- und zugeschoben wurde, dann kam Tantchen zu uns zurück.
    »Hast du Läuse, Kleine?« fragte mich Mutter.
    »Nein«, antwortete ich.
    »Du wirst lernen müssen, dich höflicher auszudrücken. Tantchen, sei bitte so lieb und schneide ihr

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