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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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also kümmere dich nicht um das, was sie sagt. Wenn sie dir eine Frage stellt, gib ihr um Gottes willen keine Antwort! Ich werde für dich antworten. Die einzige, auf die du Eindruck machen mußt, ist Mutter. Sie ist kein schlechter Mensch, aber ihr ist immer nur eines wichtig.«
    Mir blieb keine Zeit, herauszufinden, was das war, denn ich hörte ein knarrendes Geräusch aus der Eingangshalle, und kurz darauf kamen die beiden Frauen auf den Verandagang heraus. Ich wagte nicht sie anzusehen. Doch was ich aus den Augenwinkeln erspähen konnte, ließ mich an zwei wunderschöne Seidenbündel denken, die auf einem Wasserlauf treiben. Gleich darauf standen sie vor mir auf der Veranda, wo sie sich niederließen und ihre Kimonos über den Knien glattstrichen.
    »Umeko-san!« rief Tantchen – das war der Name der Köchin. »Bring Tee für Großmama!«
    »Ich will keinen Tee«, hörte ich eine zornige Stimme sagen.
    »Schon gut, Großmama«, sagte eine rauhere Stimme, in der ich die von Mutter vermutete. »Du brauchst ihn ja nicht zu trinken. Tantchen will nur, daß du dich wohl fühlst.«
    »Ich kann mich nicht wohl fühlen mit meinen Knochen«, beschwerte sich die Alte. Ich hörte, wie sie Luft holte, um weiterzusprechen, aber Tantchen fiel ihr ins Wort.
    »Das hier ist das neue Mädchen, Mutter«, sagte sie und versetzte mir einen kleinen Stoß, damit ich mich verneigte. Ich sank auf die Knie und verneigte mich so tief, daß ich den modrigen Geruch wahrnahm, der unter den Fundamentsteinen des Hauses hervorkam. Dann hörte ich wieder Mutters Stimme.
    »Steh auf und komm näher! Ich will dich ansehen.«
    Nachdem ich mich ihr genähert hatte, war ich überzeugt, daß sie noch mehr zu mir sagen würde, statt dessen holte sie aus ihrem Obi eine Pfeife mit Metallkopf und langem Bambusstiel, die sie neben sich auf den Verandagang legte. Dann holte sie aus ihrer Ärmeltasche einen verschnürten Seidenbeutel, dem sie ein wenig Tabak entnahm. Sie stopfte die Pfeife mit ihrem kleinen Finger, der die braunrote Färbung einer gerösteten Yamswurzel angenommen hatte, steckte sie sich in den Mund und setzte sie mit einem Streichholz aus einer kleinen Metallschachtel in Brand.
    Ihre Pfeife paffend, sah sie mich zum erstenmal richtig an, während die Alte neben ihr seufzte. Ich ahnte, daß ich Mutter nicht direkt ansehen durfte, hatte aber den Eindruck, daß ihrem Gesicht Rauch entströmte wie Dampf einer Erdspalte. Ich war so neugierig auf sie, daß meine Blicke ein Eigenleben entwickelten und überall umherzuwandern begannen. Je mehr ich von ihr sah, desto stärker faszinierte sie mich. Ihr Kimono war gelb, mit Weidenzweigen, an denen bezaubernde grüne und orangefarbene Blätter hingen, und bestand aus Seidenbatist, so zart wie Spinnweben. Ihr Obi war nicht weniger eindrucksvoll. Auch er bestand aus einem duftigen Stoff, wirkte aber schwerer, war in Rost und Braun gehalten und mit Goldfäden durchwirkt. So sehr bewunderte ich ihre Kleidung, daß ich den schlammigen Hofkorridor gar nicht mehr wahrnahm, mich nicht mehr fragte, was aus meiner Schwester – und meinen Eltern – geworden war, und was aus mir selbst werden sollte. Jede Einzelheit dieses Kimonos war so beeindruckend, daß ich mich selbst völlig vergaß. Doch dann erlitt ich einen furchtbaren Schock, denn über dem Kragen ihres eleganten Kimonos saß ein Gesicht, das so wenig zu dieser Kleidung paßte, daß es mir vorkam, als hätte ich den Körper einer Katze gestreichelt, nur um zu entdecken, daß dieses Wesen den Kopf einer Bulldogge besaß. Sie war eine grauenhaft häßliche Frau, aber viel jünger als Tantchen, und das hatte ich nicht erwartet. Wie sich herausstellte, war Mutter eigentlich Tantchens jüngere Schwester – obwohl sie einander, genau wie alle anderen in der Okiya, »Mutter« und »Tantchen« nannten. Eigentlich waren sie überhaupt keine Schwestern, jedenfalls nicht wie Satsu und ich. Sie waren nicht in dieselbe Familie hineingeboren worden, sondern Großmama hatte sie beide adoptiert.
    So benommen war ich, als ich dastand, und so viele Gedanken schossen mir durch den Kopf, daß ich schließlich genau das tat, was Tantchen mir strikt verboten hatte: Ich sah Mutter direkt in die Augen. Da fiel ihr die Pfeife aus dem Mund, und ihr Kinn sackte herab wie eine Falltür. Aber obwohl ich wußte, daß ich den Blick unter allen Umständen senken mußte, fand ich ihre seltsamen Augen in ihrer ganzen Häßlichkeit so faszinierend, daß ich einfach stehenblieb und sie

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