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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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mir schien. Zu meiner größten Erleichterung verabschiedete sie sich dann und ging hinaus.
    Eine Woche später fand Großmamas Beisetzung statt – an einem Vormittag, den ein Wahrsager ausgewählt hatte. Anschließend räumten wir die Okiya wieder auf, allerdings mit einigen Änderungen. Tantchen zog nach unten in Großmamas ehemaliges Zimmer, während Kürbisköpfchen – die schon bald ihre Lehrzeit als Geisha antreten sollte – Tantchens Zimmer im ersten Stock bezog. Außerdem trafen in der folgenden Woche zwei neue Dienerinnen ein, beide im mittleren Alter und äußerst energisch. Es mag sonderbar erscheinen, daß Mutter zusätzliche Dienerinnen aufnahm, obwohl die Familie kleiner geworden war, aber in der Okiya hatte es immer zuwenig Personal gegeben, weil Großmama nicht so viele Menschen ertragen konnte.
    Die letzte Veränderung war, daß Kürbisköpfchen keine Hausarbeit mehr verrichten mußte. Statt dessen hieß man sie, sich in den verschiedenen Künsten zu üben, die sie als Geisha beherrschen mußte. Normalerweise wurde den jungen Mädchen nicht sehr viel Zeit zum Üben gelassen, aber das arme Kürbisköpfchen lernte nur langsam, und wenn jemand zusätzlich Zeit brauchte, dann sie. Es fiel mir schwer, mit anzusehen, wie sie tagtäglich auf dem Verandagang kniete und stundenlang auf ihrem Shamisen übte, während ihr die Zunge seitlich aus dem Mund hing, als wollte sie sich die Wange lecken. Jedesmal, wenn sich unsere Blicke begegneten, schenkte sie mir ein kleines Lächeln. Sie war wirklich so lieb und freundlich, wie man sich nur wünschen konnte. Mir fiel es zunehmend schwerer, die drückende Last der Geduld zu tragen und auf eine winzige Chance zu warten, die möglicherweise niemals kam, mit Sicherheit aber die einzige Chance wäre, die sich mir jemals bieten würde. Und nun mußte ich erleben, wie das Tor zum Glück sperrangelweit für eine andere geöffnet wurde. Wenn ich abends zu Bett ging, holte ich das Taschentuch, das mir der Direktor gegeben hatte, heraus und atmete den kräftigen Talkumduft ein. Ich machte meinen Kopf von allem anderen frei, um mir sein Bild vor Augen und das Gefühl der warmen Sonne auf meinem Gesicht und der Steinmauer, auf der ich gesessen hatte, als ich ihn kennenlernte, ins Gedächtnis zu rufen. Er war mein Bodhisattva mit tausend Armen, der mir helfen würde. Zwar konnte ich mir nicht vorstellen, wie er das tun sollte, aber ich betete trotzdem darum.
    Gegen Ende des ersten Monats nach Großmamas Tod kam eines Tages eine unserer neuen Dienerinnen zu mir und sagte, vor der Tür warte eine Besucherin auf mich. Es war ein ungewohnt heißer Oktobernachmittag, und ich war am ganzen Körper naßgeschwitzt von der Arbeit mit unserem alten handbetriebenen Staubsauger, mit dem ich die Tatami-Matten oben in Kürbisköpfchens neuem Zimmer reinigen sollte. Kürbisköpfchen schmuggelte gern Reisgebäck nach oben, so daß die Matten oft gesaugt werden mußten. Mit einem feuchten Tuch wischte ich mir hastig die Stirn und lief nach unten, wo ich in der Eingangshalle eine junge Frau vorfand, die einen einfachen Kimono trug. Ich ging auf die Knie und verneigte mich vor ihr. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich in ihr das Mädchen, das einige Wochen zuvor Mameha zu unserer Okiya begleitet hatte. Ich war bedrückt, daß sie zu mir gekommen war. Ich war fest davon überzeugt, daß ich nun Ärger bekam. Doch als sie mich zu sich in den Hauseingang winkte, schob ich die Füße in die Schuhe und folgte ihr gehorsam auf die Straße hinaus.
    »Wirst du manchmal auf Botengänge geschickt, Chiyo?« fragte sie mich.
    Inzwischen war seit meinem Fluchtversuch so viel Zeit vergangen, daß ich nicht mehr in der Okiya eingesperrt war. Ich hatte keine Ahnung, warum sie mir diese Frage stellte, antwortete aber, daß das zutreffe.
    »Gut«, sagte sie. »Sieh zu, daß du morgen nachmittag um drei zu Besorgungen ausgeschickt wirst. Ich erwarte dich an der kleinen Brücke, die über den Shirakawa-Bach führt.«
    »Ja, gern«, sagte ich. »Aber darf ich fragen, warum?«
    »Das wirst du morgen erfahren«, gab sie zurück und krauste dabei die Nase, als wollte sie mich auf den Arm nehmen.
    Ich war keineswegs erfreut, daß Mamehas Dienerin mich irgendwohin bringen wollte – vermutlich zu Mameha, dachte ich, damit sie mich für das, was ich getan hatte, ordentlich ausschelten konnte. Dennoch überredete ich Kürbisköpfchen am folgenden Tag dazu, mich auf einen Botengang zu schicken, der nicht unbedingt

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