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Die Geishas des Captain Fishby

Die Geishas des Captain Fishby

Titel: Die Geishas des Captain Fishby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vern Sneider
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bewegte die
Zehen, um sie zu lockern, leicht hin und her.
    Eine neue Brise kräuselte den
Lotosteich und wiegte sanft die Spitzen der Kiefern. Fisby beugte sich vor, um
das Rauschen in den Zweigen deutlicher zu hören. Aus der Ferne vernahm man
immer noch das Pferdegetrappel von vorhin, und Fisby mußte daran denken, daß
die Menschen hier seit Urzeiten mit ihren bloßen Füßen die Erde feststampften.
Ja, dies war wirklich ein sagenhaft altes Land. Und es hei ihm der alte Oshiro
ein, der von jenen Dschunken erzählt hatte, die Jahrhunderte hindurch von China
zum Hafen von Naha gesegelt kamen. Waren sie alle nur in freundschaftlicher
Absicht oder als listige Eindringlinge und Eroberer gekommen, denen das Volk
auf dieser kleinen Insel gnadenlos ausgeliefert war? Zum ersten Male wurde er
sich dessen bewußt, daß auch er selber ein solcher Eroberer war, der einem
fremden Volk seinen Willen aufzwang. Und sein Gesicht umdüsterte sich bei
diesem Gedanken. Es war nicht gut, ein Eroberer zu sein. Ein Diener, der sich
wohl erkundigen wollte, ob noch etwas Tee gewünscht wurde, schob die Tür einen
Spalt breit auf, schloß sie dann aber wieder schnell, als er merkte, daß der
Herr in Gedanken versunken auf den Lotosteich hinausblickte und gewiß nicht
gestört werden wollte. —
    Während Fisby traumverloren auf das
Lied des Windes lauschte, wie „Goldblume“ es ihm aufgetragen, läutete in der
Kommandantur das Telefon. Sakini nahm den Hörer ab. Oberst Purdy war am anderen
Ende der Leitung und verlangte in barschem Ton den Doktor zu sprechen.
    Sakini kratzte sich am Kopf. „Aber der
Herr Doktor hat heute morgen gerade leider viel zu tun. Er will Poi kochen und
ist deshalb auf der Suche nach einer Tarowurzel.“
    „Poi!“ Oberst Purdys Stimme überschlug
sich fast. „Ich habe ihn nach Tobiki als Psychiater geschickt und nicht als
Koch. Er soll mich auf der Stelle anrufen. Ich habe ihm befohlen, mir täglich
einen Bericht zu schicken und nicht nur alle drei Monate. Noch bin ich
Kommandant — ich will wissen, was gespielt wird!“
     
     

18
     
    Am selben Tage, gleich nach dem Essen,
wollte Fisby die Verbindung mit einigen Marketendereien aufnehmen und sich eine
Liste der nur schwer verkäuflichen oder überreichlich vorhandenen Sachen, die
man nur allzu gern los werden würde, geben lassen. „Goldblume“ hatte eine
Familie ausfindig gemacht, die seit Generationen Kartoffelschnaps brannte, und
die Zimmerleute waren bereits dabei, die Brennerei aufzubauen, während eine
Gruppe von Arbeitern unter Kieis Aufsicht große Tonkrüge herstellte, in denen
der Schnaps dann gären sollte — die Familie selber war mit dem Schälen der
Kartoffeln beschäftigt, die für die Maische gebraucht wurden.
    Da Fisby erwartete, daß der Shochu
sehr gefragt sein würde, wollte er, bevor das damit verdiente Geld anzurollen
begann, wissen, was dafür in den Marketendereien zu kaufen war. Aber nach dem
Essen bekam er unerwartet Besuch. „Lotosblüte“ erschien völlig aufgelöst in der
Kommandantur und berichtete, daß Seiko das Dorf verlassen habe.
    „Aber das kann doch gar nicht sein“,
sagte Fisby erschrocken. „Was ist denn geschehen?“
    „,Lotosblüte’ weiß das auch nicht“,
erwiderte Sakini. „Sie hat nur gehört, daß ,Goldblume’ wegen des Bemalens des
Geschirrs mit ihm Streit hatte.“
    „Hat sie ihn denn fortgehen sehen?“
    „Nein, Chef. Aber Fräulein Higa-Jiga
hat es gesehen. Weil er ein so hübscher junger Mann ist, wollte sie ihn nämlich
zu einer Teezeremonie in ihr neues Cha-no-yu-Haus einladen, sobald es fertig
ist. Da sie aber erfahren hat, daß auch Fräulein Susano und einige andere Damen
von der Geschäftsleitung der Liga die gleiche Absicht hatten, entschloß sie
sich darum, ihnen mit der Einladung zuvorzukommen. Sie ist deshalb zu dem Haus,
wo er wohnt, gegangen, und da hat man ihr gesagt, daß er gerade mit allen
seinen Sachen weggegangen sei. Und wie sie sich da umblickt, ja, da sieht sie
ihn auch wirklich über die Felder in Richtung auf Klein-Koza gehen.“
    „Aber was sagt denn ,Goldblume’ dazu?“
fragte Fisby.
    „Sie hat nur den Kopf zurückgeworfen,
Chef, und gesagt: ,Maa, laß ihn laufen. Mir ist es gleich.’ Aber ,Lotosblüte’
weiß ganz genau, ,Goldblume’ wird sehr, sehr weinen, wenn sie allein ist.“
    „Weiß Gott“, rief Fisby und schlug mit
beiden Händen auf die Tischplatte, „wenn er ein solcher Narr ist, daß er die
berühmteste Geisha von ganz Naha verläßt — dann

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