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Die Geishas des Captain Fishby

Die Geishas des Captain Fishby

Titel: Die Geishas des Captain Fishby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vern Sneider
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anfangen?“
    Fisby und der Doktor nickten, bereit, auch
das noch über sich ergehen zu lassen. Hokkaido schob die Ärmel seines Kimonos
zurück und fing mit seinem Vortrag an. Zunächst imitierte er, indem er wie
besessen durch den ganzen Saal sprang, einen Reiter, der einen Berg
hinaufgaloppiert.
    „Das sollen“, erklärte Sakini
grinsend, „die Männer aus China sein, die auf ihren kleinen Pferden angeritten
kommen.“
    Dann lief Hokkaido blitzschnell zum
Tisch zurück und legte eine Hand vor die Augen, womit er den Wächter auf den
Zinnen des Schlosses darstellen wollte. Danach stellte er sich auf die
Fußspitzen, so wie ein Reiter sich in den Steigbügeln aufrichtet, machte ein
zornig entschlossenes Gesicht und streckte langsam eine Hand nach oben. Der
Doktor beugte sich zu Fisby hinüber: „Passen Sie auf, jetzt bläst er gleich zum
Angriff.“
    Hokkaido holte tatsächlich tief Luft,
blähte die Backen auf und blies. Noch nie bisher hatte Fisby etwas so
schauerlich Mißtönendes gehört. Unwillkürlich fuhr er zusammen. Auch der Doktor
fuhr zusammen. Und die anderen an den Tischen, die das Lied offenbar bereits
kannten, hielten sich die Ohren zu. Aber das war nur das Vorspiel zu einem noch
grauenhafteren Gegröl und zu noch fürchterlicheren Verrenkungen, mit denen
Hokkaido seine Schauerballade erbarmungslos zum besten gab. Einige der Gäste
flüchteten auf die Veranda. Alle übrigen hielten noch immer die Hände
verzweifelt an die Ohren gepreßt, außer den Bürgermeistern von Klein-Koza und
Maerabu, die sich einen Becher Sake nach dem anderen in die Kehle gossen. „Gott
soll uns schützen!“ flüsterte der Doktor. „Wenn nur endlich einer die Schlacht
gewinnen wollte!“ Einen Augenblick schien es so, als ob dieses Stoßgebet erhört
werden sollte. Das wilde Kriegsgeschrei ebbte ab, verstummte dann ganz, und der
keuchende Hokkaido rührte sich nicht vom Fleck.
    Fisby wollte bereits applaudieren,
aber da merkte er, daß das Lied noch keineswegs zu Ende war. Hokkaido schlich
nun auf Zehenspitzen im Kreise umher. „Jetzt versuchen sie sicher von der
Flanke anzugreifen“, flüsterte Fisby.
    Der Doktor war blaß geworden. „Wissen
Sie genau, Fisby, daß es hier keine Bar gibt?1“
    Fisbys Antwort wurde vom Gebrüll der
Schloßverteidiger übertönt, die den von der Flanke sich heranpirschenden
Angreifer entdeckt hatten. Noch lange tobte die Schlacht. Und erst als einzelne
Gäste mit lächelnden Gesichtern langsam von der Veranda in den Saal
zurückkehrten, merkte Fisby, daß der Kampf endlich ausgestanden war. Er
trocknete sich die Stirn mit dem Taschentuch ab, und ehe er sich’s versah,
stand Hokkaido, noch völlig außer Atem, vor ihm und verbeugte sich tief.
„Chef“, übersetzte Sakini, „er möchte wissen, wie Ihnen das Lied gefallen hat.“
Fisby fand, daß es eigentlich unfair sei, ihn allein danach zu fragen, aber ein
Blick auf den Doktor überzeugte ihn, daß er besser auch gleich für ihn eine
Antwort gab: „Es war schön, Sakini. Es war sehr schön.“ Sakini schien ihm das
nicht ganz zu glauben, übersetzte es aber trotzdem gehorsam und sagte dann:
„Hokkaido dankt Ihnen sehr.“
    Fisby hatte das Gefühl, daß er noch
ein paar Worte sagen müsse, und fügte deshalb hinzu: „Ja, Sakini, sag ihm, so
etwas Realistisches hätte ich noch nie in meinem Leben gehört. Man meinte
förmlich das Schreien der Maultiere zu vernehmen.“
    Sakini kratzte sich am Kopf: „Aber es
kamen doch gar keine Maultiere darin vor, Chef.“
    „Nein? Wirklich nicht? Ich hätte
schwören mögen, ihre Schreie gehört zu haben. Vielleicht waren es aber Esel...“
    „Nein, Esel kamen da auch nicht vor.“
    Fisby räusperte sich verlegen. „Na
gut. Sag ihm einfach noch einmal, es sei sehr schön gewesen.“
    Als Sakini Fisbys Worte wiederholte,
verklärte sich Hokkaidos Gesicht. Aber dann flüsterte Sakini höchst
erschrocken: „Chef, in dem nächsten Lied möchte Hokkaido gern von den Männern
singen, die am nächsten Tag von neuem versuchen, die Burg zu erobern.“
    Fisby wußte nicht, was er darauf noch
antworten sollte. „Das wäre ja sehr interessant“, meinte er schließlich, „aber
vielleicht wartet er noch ein bißchen damit.“ Er blickte ratlos um sich. „Es
wäre schade, wenn das Sukiyaki kalt würde. Ich glaube, es ist gleich fertig.“
    „Oh, Hokkaido sagt, das macht nichts,
Chef. Sie sollen zu essen anfangen. Er singt unterdessen.“
    Fisby wurde es schwarz vor den Augen.
„Nun, später,

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