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Die Geishas des Captain Fishby

Die Geishas des Captain Fishby

Titel: Die Geishas des Captain Fishby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vern Sneider
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Schule
vollkommen vergessen. Aber nun würde er sich sofort an die Arbeit begeben
müssen, bevor der Oberst einen neuen Bericht über die weiteren Fortschritte
anforderte. Am besten tat er das sofort. Doch da rief Sakini leise: „Chef,
wollen Sie sich nicht wieder zu uns setzen?“
    Fisby drehte sich um, und seine Augen
wanderten wieder über den Garten. Ja, vielleicht hatte das doch noch etwas
Zeit. Man sollte ja schließlich hier nicht an all das denken, was draußen
vorging, sondern sich ganz der Natur hingeben. Und so nahm Fisby still wieder
Platz auf seiner Bank.
    Als sie dort alle drei einige Minuten
in Gedanken versunken gesessen hatten, öffnete Fräulein Higa-Jiga die
Schiebetür des Cha-no-yu-Hauses, zum Zeichen dessen, daß sie bereit sei, ihre
Gäste zu empfangen. „Da Sie der Hauptgast sind, Chef“, flüsterte Sakini Fisby
zu, „müssen Sie uns auf dem Roji dort — wie wir den Steinpfad nennen —
vorangehen. Aber ,Lotosblüte’ bittet Sie, dabei nur auf die Schönheit des
Gartens zu achten und Ihre Gedanken durch nichts ablenken zu lassen. Die Seele
des Gastes muß ganz unbeschwert sein, muß ganz in sich ruhen, bevor er das Haus
betritt. Und bei dem kleinen Felsblock vor dem Cha-no-yu-Haus bleiben Sie dann
bitte stehen. Dies ist ja nur eine Übung, und ,Lotosblüte’ wird Ihnen sagen,
was Sie tun müssen, wenn Sie dort sind.“
    Fisby nickte, strich sich seinen
Bademantel glatt und begann den Pfad, der Roji genannt wurde, entlangzugehen.
Im ersten Augenblick wußte er nicht recht, in welchem Schritt er sich
fortbewegen sollte, aber dann erschien ihm ein feierlich-langsames Gehen als am
ehesten angemessen. Als er nahe genug an den Stein herangekommen war, sah er,
daß man den Fels künstlich ausgehöhlt und die dadurch entstandene Vertiefung
mit klarem Wasser angefüllt hatte. Dicht daneben stand eine Laterne, ebenfalls
aus Stein. Wieviel Mühe und Schweiß mochte es gekostet haben, so ging es Fisby
durch den Kopf, bis dieses Wasserbecken und diese Laterne fertiggestellt waren!
Wie man ihn geheißen, blieb er vor dem Becken stehen. „Jetzt“, flüsterte
Sakini, „müssen wir uns reinigen, Chef. Nehmen Sie die kleine Kelle dort mit
dem Bambusstiel in die eine Hand, strecken Sie die andere Hand aus, und gießen
Sie etwas Wasser darüber, danach machen Sie es umgekehrt, und zum Schluß spülen
Sie sich den Mund!“ Fisby hockte sich nieder, wie um eine tiefe Kniebeuge zu
machen, und tat dann alles genauso, wie Sakini es ihm gesagt, und „Lotosblüte“
und der Dolmetscher folgten seinem Beispiel.
    „Und nun stellen Sie sich auf den
Stein vor der Tür des Cha-no-yu-Hauses, ziehen dann Ihre Sandalen aus und
kriechen hinein“, wies Sakini ihn weiter an. Und wirklich — im wahren Sinne des
Wortes mußte Fisby hineinkriechen, denn die Tür war höchstens einen Meter hoch
und sehr schmal. Als er so auf Händen und Füßen schließlich in das Haus
hineingelangt war, befand er sich in einem Raum von etwa drei Quadratmetern,
der mit blaßgrünen Matten ausgelegt und sonst fast kahl war. An der Seite stand
ein kleiner Ofen, und im Hintergrund war eine Nische eingebaut. Als Fisby sich
wieder aufgerichtet hatte, stand Fräulein Higa-Jiga wartend vor ihm. „Chef“,
sagte Sakini, sich ebenfalls erhebend, „Fräulein Higa-Jiga bittet Sie, zu
entschuldigen, daß sie nur einen Kimono aus Bananenfasertuch trägt. Leider hat
sie keinen seidenen wie ,Lotosblüte’, und...“
    Bevor Sakini fortfahren konnte, legte
„Lotosblüte“ eine Hand auf seinen Arm und gebot ihm zu schweigen. Dann
flüsterte sie erregt mit Fräulein Higa-Jiga, die daraufhin eine beleidigte
Miene aufsetzte.
    „Hat sie denn etwas falsch gemacht,
Sakini?“ fragte Fisby.
    „Ja, Chef. ,Lotosblüte’ will nicht,
daß sie hier so etwas sagt. Alle weltlichen Dinge sollen in diesem Raum
vergessen sein. Aber Fräulein Higa-Jiga hielt die Gelegenheit für günstig, Sie
daran zu erinnern, daß Sie die seidenen Kimonos für sie und die Frauenliga noch
nicht besorgt haben. Sie sehen ja nun selber, wie nötig sie sie brauchen.“
    Fisby hörte das nicht gern. Und
„Lotosblüte“, die seine innere Ruhe durch diese Worte gestört fühlte, ließ
deshalb rasch durch Sakini sagen, daß man jetzt mit der Zeremonie fortfahren
und in der Nische niederknien wolle, um das dort aufgehängte Rollenbild
andächtig zu betrachten.
    Dieses Rollenbild bestand aus einem Stück
des weißen Stoffes, der schon zu so vielem hatte herhalten müssen und auf

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